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Treffpunkt Irgendwo

Titel: Treffpunkt Irgendwo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fuchs
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unserem Bier tranken, füllte sich langsam der Keller. Dass wir nicht sprachen, störte mich nicht. Zum einen, weil ich Len neben mir wusste, zum anderen war ich vollauf damit beschäftigt, alles zu beobachten. Es waren total unterschiedliche Leute, die hierherkamen. Punks wie Len, Normalos wie ich, irgendwie typischer Berliner Durchschnitt. Sogar ein paar echt Alte waren darunter. Die eine sah aus wie meine Oma, sie kam mit einem Schäferhund. Als fast alle Stühle gefüllt waren, schaltete einer der Betreiber den Beamer ein, dann begann der Film. Ein paar Underdogs übernehmen ein Nobelrestaurant und servieren dort den Reichen ihresgleichen als Mahlzeit, oder so ähnlich. Ich fand ihn ziemlich schräg, teilweise ziemlich brutal, bei den Szenen, als die Restaurantgäste umgebracht wurden, musste ich wegsehen. Der Film war eigentlich Trash pur. Meinem Vater hätte er vermutlich gefallen, der stand auf so schwarzen makaberen Witz, doch mein Ding war er nicht.
    Während des Films wanderte ab und an ein Joint durch die Reihen, ebenso wie hinter und vor mir ganz selbstverständlich geraucht wurde. Bei der ersten Tüte, die Len angeboten wurde, bediente er sich, als er sah, dass ich nicht mitrauchte, reichte er die folgenden weiter, ohne selbst daran zu ziehen.
    Als der Film endlich zu Ende war, drängten wir uns aus dem Keller wieder hoch und in die Kälte zurück. Oben zog Len ein PLO-Tuch aus seiner Jackentasche und schlang es sich um den Hals.
    »Scheißfilm«, sagte er.
    »Echt? Ging dir das auch so?«, freute ich mich. »Ich habe mich die ganze Zeit immer nur gefragt, was das soll und wann es endlich vorbei ist.«
    Während ich das sagte, dachte ich jedoch etwas ganz anderes. Wie süß von Len, dass er sich erst jetzt traute, das Tuch um seinen Hals zu wickeln. Es war ihm offenbar doch sehr, sehr wichtig gewesen, mir gleich am Anfang zu zeigen, dass die Infektion weg war. Das passte zu dem, was mir schon unten im Kino aufgefallen war. Len hatte irgendwie angenehm und sauber gerochen. Nicht nur nach Deo oder so. Von ihm und seinen Klamotten ging so ein Duft aus, so wie es riecht, wenn meine Mutter mit den frisch gewaschenen Sachen aus dem Keller hochkommt. Irgendein bestimmtes Waschmittel halt. Obwohl Len noch immer ganz klar echt Punk war, hatte er doch etwas Adrettes. Doch deutlich anders sauber als die Pseudopunks an meiner Schule. Die waren so katalogartig, ZDF, künstlich. Len dagegen war noch immer echt, aber eben sauber.
    »Willst du noch was trinken?«, fragte Len.
    »Aber hallo.« Ich nickte. Was dachte der Kerl denn, wollte der mich etwa loswerden? Der Abend hatte doch gerade erst angefangen.
    »Gleich hier ins AGH?«
    »Warum nicht.«
    Hatte mir das Kino schon gefallen, so war ich von der Kneipe im Erdgeschoss erst recht begeistert. Der Laden war richtig gemütlich. Zwar schräg, kaputt und irgendwie chaotisch und alles selbst gemacht und improvisiert, aber total zum Wohlfühlen. Die Musik vielleicht etwas laut, aber in der Ecke, in der Len und ich einen Platz fanden, ging es. Der Laden war voll.
    »Jetzt zahle ich!«, sagte ich und drängelte mich zur Theke vor. Mit zwei Flaschen Bier in den Händen kam ich zurück. Len hatte sich derweil eine selbst gedrehte Zigarette angezündet. Dass er nicht nur ab und zu kiffte, sondern regulär rauchte, hatte ich nicht gewusst. Aber woher auch, so oft hatten wir uns ja noch nicht gesehen.
    »Ist ja irgendwie eine coole Location hier«, versuchte ich, ein Gespräch zu beginnen, da Len einfach nur schweigend am Tisch saß.
    »Ja, ganz okay.«
    »Ist das erste Mal, dass ich in so einem besetzten Haus bin. Echt ’ne gute Sache, also dieses Hausbesetzen. Ist doch mies, wenn alles nur noch von Spekulanten auf Luxus getrimmt wird… also finde ich. Wohnst du jetzt hier?«
    »Nein.«
    »Wieso nicht?«, fragte ich.
    »Ist nichts für mich.«
    »Wie?«
    »Na, das ist alles schon so verspießert.« Er machte eine verächtliche Kopfbewegung zu den Leuten an der Theke. »Die wohnen hier teilweise schon zwanzig Jahre. Die haben sich total eingerichtet. Mit Plenum, jede Woche Sitzung, alles ganz basisdemokratisch. Mit echten Hausbesetzern haben die echt nicht mehr viel zu tun. Die haben oben unterm Dach sogar einen Boulderraum.«
    »Abgefahren.«
    »Ja«, Len grinste. »Was ’ne coole Aktion wäre, den Laden hier mit ein paar echten Leuten von der Straße zu übernehmen. Wäre ’ne Frage, was die dann machen würden. Räumen lassen? Die Bullen können sie wohl kaum

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