Treffpunkt Las Vegas
Auftrag, den Mörder ausfindig zu machen?« fragte sie unvermittelt.
»Nein.«
»Würden Sie... ich meine, wenn Sie wüßten, wer es war, müßten Sie dann auf jeden Fall...«
»Nein.«
Plötzlich streckte sie mir die Hand entgegen. »Mr. Lam, ich glaube, Sie sind ein anständiger Mann.«
»Und Sie werden tun, was ich Ihnen gesagt habe?«
»Ja.«
»Also gut. Diese Wohnung hier haben Sie doch unter dem Namen Mrs. Jannix gemietet. Sie dürfen hier nicht mehr bleiben und müssen jede Verbindung zu dieser Bleibe lösen. Man darf Ihre Spur nicht bis hierher verfolgen können, das wäre gefährlich für unseren Plan. Ziehen Sie schleunigst aus. Schicken Sie Ihr Gepäck nach San Francisco oder kaufen Sie sich eine Fahrkarte und geben Sie das Gepäck am Bahnhof auf. Den Gepäckschein lassen Sie aber in Ihrer Handtasche. Whitewell wird Ihnen doch wohl Geld genug gegeben haben, daß Sie das alles noch verkraften können?«
»Ja, er bestand darauf, daß ich es annahm. So konnte ich mein eigenes Bargeld zurücklassen. Das gehörte zu seinem Plan.«
»Hätte Philip sein Köpfchen gebraucht«, erwiderte ich, »dann hätte ihn das allein schon darauf hinweisen müssen, daß Ihr Verschwinden vorsätzlich geplant und finanziert war. Also, nun an die Arbeit! Ziehen Sie sofort aus dieser Wohnung aus und lassen Sie nichts zurück, was mit auf Sie hinweisen könnte. Gehen Sie auf die Straße und fangen Sie an, dort planlos umherzuirren. Sobald Sie einen Polizisten sehen, fragen Sie ihn, was das hier für eine Stadt ist. Verhalten Sie sich überhaupt so geistesabwesend, daß es jedem auffallen muß, damit man Sie der Polizei übergibt. Aber trinken Sie um Gottes willen keinen Tropfen Alkohol.«
»Warum nicht?«
»Wenn Sie nach Alkohol duften, hält man Sie für betrunken und sperrt Sie ein. Benehmen Sie sich aber in nüchternem Zustand vollkommen närrisch, dann wird man einen Arzt holen. Der wird Sie vielleicht
mit irgendeinem Trick auf die Probe stellen, um herauszufinden, ob Sie nur simulieren. Darauf müssen Sie gefaßt sein. Glauben Sie, daß Sie diese Rolle einigermaßen echt hinbekommen?«
»Ich will es versuchen und mir die größte Mühe geben.«
»Also dann, viel Glück.« Damit verabschiedete ich mich.
»Wohin gehen Sie jetzt?«
»Ich werde warten, bis Sie in einem Krankenhaus gelandet sind. Dann werde ich Sie dort aufstöbern. Anschließend fahre ich nach Las Vegas und berichte Whitewell.«
»Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so für mich einsetzen«, sagte sie mit Dankgefühl in den Augen.
»Warum soll ich Sie über Bord werfen, wenn ich das Schiff sicher in den Hafen bringen kann?«
Corla sah mir in die Augen und lächelte dann. »Sie versuchen nur, grob und hartgesotten zu erscheinen, Mr. Lam. In Wirklichkeit sind Sie ein Romantiker. Sie erinnern mich an Philip.«
Ich befand mich schon auf dem Wege zur Tür. »Wie Sie meinen. Versuchen Sie es, fertigzubringen, daß Sie bis zum Anbruch der Dunkelheit bereits in einem Hospital sind.«
»Ich werde mein Bestes tun.« Corlas Stimme klang nun zuversichtlich.
Als ich wieder auf der Straße stand, flutete der Verkehr an mir vorbei. Reno nimmt für sich in Anspruch, die größte Kleinstadt der Welt zu sein. Darüber hinaus könnte man aber auch behaupten, daß sie sich von allen übrigen Städten der Welt unterscheidet. Die besonderen Merkmale dieses Ortes springen dem Besucher auf Anhieb ins Auge: Cowboys in Reitstiefeln und Sporen stampften über die Bürgersteige; überall begegnet man verbittert dreinschauenden Frauen, die — befreit von jeder Illusion — darauf warten, daß die gesetzlich festgelegte Zeitspanne vergeht, nach der sie in Reno als ortsansässig anerkannt werden und die Scheidung beantragen können. Aber auch viele aufgedonnerte »leichte Mädchen«, die nur vorübergehend nach Reno kommen, bevölkern die Straßen dieser Stadt. Professionelle Glücksspieler und harmlose Touristen sitzen in den Vergnügungslokalen und Neppfallen nebeneinander. Sonnenverbrannte Urlauber, denen das Wüstenklima besonders gut bekommt, mischen sich unter die blaßgesichtigen Durchreisenden, die die Sehenswürdigkeiten dieser Scheidungsmetropole begaffen.
Da ich einige Minuten benötigte, um die neue Situation vor meiner Rückkehr in die Baracke zu überdenken, ließ ich mich von der Menge willenlos durch die weitgeöffnete Tür eines Spielkasinos schieben und stand nun in einer Ecke des Lokals, wobei ich mir, in Gedanken versunken, die Gesichter der Leute
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