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Trias

Titel: Trias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Kayser
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einen Raketenangriff der Amerikaner mit verantwortet zu haben. Der Auftrag in München passte ganz gut in seine Reiseplanung. Zuvor war er nach dem Mord an Thomas Gordon Spread von Prag aus nach Wien gereist, um den tschechischen Ermittlern möglichst weiträumig aus dem Weg zu gehen. Sein eigentliches Ziel aber war der G8-Tagungsort Marienstrand. Auf Anraten der New Yorker Geheimdienst-Residentin hatte er sich vorübergehend in Wien ein Apartment gemietet und dort auf weitere Instruktionen gewartet. Es war ihre Strategie, während des G8-Treffens einen nervenstarken und kaltblütigen Agenten in Europa zu haben, der im Bedarfsfall in den Verlauf des Gipfels eingreifen und ihn sabotieren konnte. Da es keinen Direktflug von Wien nach Rostock gab, musste er in München zwischenlanden. Der Mord an Paul Hess war schnell verdientes Geld.
    Nach beinahe vierzig Minuten Fahrzeit hielt das Taxi vor dem feinen Hotel Mandarin Oriental in der Neuturmstraße. Hier hatte Spreads einstiger Buchhalter und späterer Mörder unter falschem Namen eine Suite gemietet, die er aber morgen bereits wieder verlassen würde. Alister Hu stieg aus dem Taxi - und gab viel zu wenig Trinkgeld.
    Der Taxichauffeur fluchte leise. Er parkte seinen Mercedes auf dem Taxihalteplatz rechts neben dem Hotel und sah missmutig durch die Frontscheibe auf das vernieselte Dezemberwetter. Durch die Erdgeschossfenster des Hotels sah er, wie zwei Pagen einen Christbaum schmückten. Heute Abend würde er nicht viel verdienen, das wusste er. Selbst der Taxifunk klang müde, Fahrten wurden kaum angefordert. Er machte ein Nickerchen. Als er nach ein paar Minuten wieder zu sich kam, sah er im Rückspiegel, wie der Besitzer eines Art-déco-Antiquitätengeschäfts für Möbel aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren seine Ladentür verschloss - ein hochgewachsener, elegant anmutender Herr von Anfang fünfzig, gekleidet in einen schwarzen Mantel, schwarze Hosen, schwarze Schuhe. Er steuerte direkt auf das Taxi zu. Unter dem Arm hielt er eine Zeitung. Der Chauffeur richtete sich auf.
    »Machen Sie auch eine nur kurze Fahrt?«, fragte der Geschäftsmann. Seine Haut war für diese Jahreszeit auffällig braun.
    »Wohin soll’s denn gehen?«
    »In die Fraunhoferstraße.«
    »Da sind Sie ja zu Fuß schneller.« Der Taxifahrer sah zu dem fein gekleideten Mann, doch dann brummte er: »Steigen Sie ein.«
    Seine Laune blieb schlecht. Wenige Minuten später war er um acht Euro reicher, zwei Geldstücke waren Trinkgeld. Sein Fahrgast verschwand in einem alten, aufwändig restaurierten Wohnhaus. Die Zeitung ließ er achtlos auf dem Rücksitz liegen.
    Das Taxi steuerte abermals den Halteplatz in der Nähe des Mandarin Oriental an. In der Ferne heulte eine Polizeisirene und wurde, während sie verebbte und wieder anschwoll, immer lauter. Kurz vor seinem Standplatz sah er den Lärmmacher, der jetzt auch noch mit quietschenden Reifen hielt. Zwei Polizisten stürmten in die Polizeiwache, die in einer Kurve seitlich des Hotels in einem roten Backsteingebäude ihren Sitz hatte.
    Der Chauffeur stellte den Motor ab, griff nach der Zeitung hinter sich und blätterte sich durch das bunte Blattgemisch. Bei einer Meldung hielt er inne. Ihre Überschrift lautete: Polizei unsicher: Terroralarm auch für München? Jeder Verdächtige sei in diesen Tagen zu melden, schrieb darin der Autor, der »augenscheinlich aus dem arabischen oder asiatischen Raum« käme. Aufgrund von Hinweisen auf »drohende Anschläge gewaltbereiter Einzel- und Gruppentäter« auf dem bevorstehenden G8-Gipfel müsse die Bevölkerung jetzt sehr genau hinsehen, damit die »freiheitliche Rechtsordnung« nicht bedroht werde. Als Grund führte der Journalist das Attentat auf Stefan Rumpf an.
    War es der Bayer in ihm, der, gewöhnt an markige Worte eines konservativen und pflichteifrigen Landesinnenministers, für eine beflissene Staatsräson sensibilisiert war? Oder gehorchte der Fahrer nur einem instinktiven Gefühl, das ihm suggerierte, sein vorletzter Fahrgast könnte aufgrund seines Aussehens verdächtig gewesen sein? Aber eigentlich ärgerte ihn immer noch der Geiz des Chinesen. Vielleicht hatte er auch einfach nur zu wenig zu tun an diesem Abend. Also stieg er, die Zeitung unter dem Arm, aus seinem Mercedes, trabte den kurzen Weg hinüber zum Polizeirevier, drückte auf den Klingelknopf und wartete. Nach ein paar Sekunden hörte er eine Männerstimme aus dem Lautsprecher.
    »Womit kann ich dienen?«
    »Ich wollte etwas melden.

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