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Trias

Titel: Trias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Kayser
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Kommunisten. Er trug den Decknamen Reiter, war effizient, zuverlässig, loyal und diszipliniert. Mehr als zehn Jahre lebte er unter dem Namen eines anderen Mannes unbehelligt - bis sein Legendenspender 1988 überraschend ums Leben kam.« Storm biss herzhaft in sein Baguette. Croy tat es ihm nach.
    »Sie erinnern sich aber gerade überraschend genau an ihn. Vorhin taten Sie noch so, als sei Hilpert in Ihrem Leben nicht mehr als eine Fußnote gewesen.«
    »Ich bin eben vorsichtig«, sagte Storm. Er griff nach dem Single Malt und füllte zwei Gläser. »Im Übrigen kannte ich als Leiter der Auslandsaufklärung jede Kaderakte bis zur kleinsten Fußnote.«
    Croy grinste spöttisch. »Prosit! Mag es uns nützen.«
    Storm murmelte etwas Unverständliches.
    »Warum wurde Hilpert denn nun Spion?«, hakte Croy nach. Er hielt sein Glas in den Händen und sah ein wenig versonnen auf die braune Flüssigkeit. Dieses Gespräch hätte er jetzt lieber mit Hilpert selbst geführt. Doch der saß vermutlich in Bautzen bei Dresden in einer Hochsicherheitszelle und wartete auf seinen Anwalt.
    »Im Unterschied zu den westlichen Geheimdiensten kam Hilpert nicht des Geldes oder des Abenteurertums wegen als Spion zur Staatssicherheit; er glaubte vielmehr an die sozialistische Sache. Hilpert war das Produkt eines Systems, das sehr langfristig plante und außerordentlich raffiniert vorging.«
    »Ist das heute anders?«, warf Croy ein.
    »O nein!«, rief Storm aus. »Auch heute akquirieren gute Geheimdienste ihre besten Leute nach genau demselben Prinzip.« Er fügte sarkastisch an: »Ich fürchte allerdings, dass heutzutage der Wille, das kapitalistische System zu wahren und zu schützen, eine wichtige Voraussetzung für einen Agenten der westlichen Welt ist.«
    Croy überging diese Bemerkung. Sie führte zu gar nichts. Er fragte: »Wissen Sie denn, wann und warum er angeworben wurde?«
    Storm machte den Eindruck, als sammle er seine Worte für die nachfolgenden Sätze von irgendwoher. Schließlich hatte er sie gefunden. »Alles nahm seinen Anfang, als er zu studieren begann. Wenn etwa Studenten an den Fachhochschulen durch Flexibilität, Intelligenz und Organisationstalent auffielen, registrierten professionelle Scouts diese Talente. Das Netz um Hilpert war besonders gründlich geknüpft.« Storm spülte seinen Mund mit einem Schlückchen Whisky.
    »Und er ließ sich auch sogleich anwerben?«, fragte Croy äußerlich ruhig. Er sicherte sich jetzt ebenfalls eine Handvoll Trauben.
    »Das war für ihn als SED-Mitglied eine Frage der Parteidisziplin. Und darin besteht der Unterschied zu mir. Ich wurde damals erpresst; er aber tat es freiwillig und aus Überzeugung.«
    Croy erinnerte sich an sein Gespräch mit Storm in Berlin. Damals hatte er ihm erzählt, dass die Staatssicherheitsleute eine Mitarbeit zur Bedingung dafür machten, dass er überhaupt an einer Universität zugelassen würde und danach als Ingenieur arbeiten könnte.
    »Musste er denn seine Eignung für das MfS beweisen?«, fragte Croy und spielte mit seinem Whiskyglas.
    »Seine Feuerprobe bestand Hilpert, als ihn die Genossen vier Wochen lang in ein Stasi-Gefängnis einwiesen, um einen Zellenkollegen auszuhorchen. Der Mann stand unter Verdacht, auf einen Grenzsoldaten geschossen zu haben. Er sollte herausfinden, ob der Mann schuldig war, welche Motive er gehabt hatte und ob sie politisch motiviert waren. Seine letzte Prüfung führte ihn erstmals in den Westen, nach Hamburg, wo er einen Koffer voller Dollar, D-Mark und Britischer Pfund in die DDR schleusen sollte. Er kam zur Erleichterung seines Führungsoffiziers mit jedem Geldschein in die DDR zurück. Sein Lohn war seine zweite bürgerliche Existenz. Er ging als Mann mit einem fremden Namen in den Westen.«
    »Wie kam er denn an diese Biografie? Haben sich das seine Führungsoffiziere ausgedacht?« Croy hatte bis heute nur selten die Gelegenheit gehabt, hinter das perfide DDR-Spitzelsystem zu schauen. Ihn wühlte das Gespräch auf. Er sprang auf und lief einmal quer durch den Raum. Storms Worte erinnerten ihn an seine Zeit mit Shirley, in der die Beschatter der Stasi zu seinem Alltag gehört hatten. Er setzte sich schnell wieder.
    »Heute wie damals werden und wurden so genannte Legendenspender benutzt. In Hilperts Fall war es ein Karussell- und Riesenradbetreiber, der mehrmals im Jahr zur Kirmes in die DDR kam. Da an den Grenzkontrollstellen alle Pässe fotografiert und ausgewertet wurden, fiel den Auswertern des MfS die

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