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Tricks

Tricks

Titel: Tricks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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Fahrrad. Haben Sie Ailo je kennengelernt? Sie hat sich hier um alles gekümmert, wissen Sie.« Er ist schon draußen und hält ihr die Tür auf.
    Sowie Juliet aussteigt, kommt ein großer gelber Hund bellend angesprungen, und eine Frau ruft von der Veranda des Hauses.
    »Ach, hau ab, Pet«, sagt der Fahrer, steckt das Fahrgeld ein und steigt rasch wieder ins Auto.
    »Sei still. Sei still, Pet. Ganz ruhig. Sie tut Ihnen nichts«, ruft die Frau. »Sie ist noch ein halbes Kind.«
    Die Tatsache, dass Pet noch ein halbes Kind ist, denkt Juliet, wird sie kaum davon abhalten, jemanden umzustoßen. Und jetzt schließt sich noch ein kleiner rötlich-brauner Hund dem Aufruhr an. Die Frau kommt die Stufen herunter und schreit: »Pet. Corky. Benehmt euch. Wenn die denken, dass Sie Angst vor ihnen haben, setzen die Ihnen nur noch schlimmer zu.«
    »Ich habe keine Angst«, sagt Juliet und zuckt zurück, als die Nase des gelben Hundes rauh ihren Arm streift.
    »Na, kommen Sie rein. Seid still, ihr zwei, oder ihr kriegt eins auf den Kopf. Haben Sie sich im Tag der Beerdigung vertan?«
    Juliet schüttelt den Kopf, als wollte sie sich entschuldigen. Sie stellt sich vor.
    »Wirklich Pech. Ich bin Ailo.« Sie geben sich die Hand.
    Ailo ist eine große, breitschultrige Frau mit schwerem, aber nicht wabbeligem Körper, offene, gelblichweiße Haare fallen ihr über die Schulter. Sie spricht laut und eindringlich, unter Ausstoßung vieler Kehllaute. Ein deutscher, holländischer oder skandinavischer Akzent?
    »Setzen Sie sich lieber hier in die Küche. Überall herrscht Chaos. Ich bringe Ihnen Kaffee.«
    Die Küche ist hell, mit einem Dachfenster in der hohen, schrägen Decke. Geschirr und Gläser und Töpfe stapeln sich überall. Pet und Corky sind Ailo unterwürfig in die Küche gefolgt und lecken jetzt aus, was immer sich in der Bratpfanne befunden hat, die Ailo auf den Fußboden gestellt hat.
    Hinter der Küche, zwei breite Stufen hinauf, befindet sich ein abgedunkeltes, höhlenartiges Wohnzimmer mit großen Kissen auf dem Fußboden.
    Ailo rückt einen Stuhl vom Küchentisch ab. »So, setzen Sie sich. Sie setzen sich hin und trinken Kaffee und essen was.«
    »Das ist wirklich nicht nötig«, sagt Juliet.
    »Doch. Ich habe gerade Kaffee gekocht, ich trinke meinen bei der Arbeit. Und es ist so viel zu essen übrig.«
    Sie stellt Juliet, zusammen mit dem Kaffee, ein Stück Kuchen hin – hellgrün, bedeckt mit zusammengefallenem Baiserschaum.
    »Limonengelee«, sagt sie ohne Anerkennung. »Vielleicht schmeckt er ja trotzdem. Oder da ist noch Rhabarber?«
    Juliet sagt: »Schon gut.«
    »Dieses Chaos hier. Ich räume nach der Leichenwache auf, ich habe alles sauber. Dann die Beerdigung. Jetzt nach der Beerdigung kann ich von vorn anfangen.«
    Sie klingt vorwurfsvoll. Juliet fühlt sich bemüßigt zu sagen: »Wenn ich aufgegessen habe, kann ich Ihnen helfen.«
    »Nein. Lieber nicht«, sagt Ailo. »Ich kenn mich hier aus.« Sie hantiert nicht sonderlich schnell, aber gezielt und effizient. (Solche Frauen brauchen deine Hilfe nie. Sie merken dir an, wie du bist.) Sie trocknet weiter die Gläser und Teller und Bestecke ab und verstaut alles Abgetrocknete in Küchenschränken und Schubladen. Dann das Ausscheuern der Töpfe und Pfannen – darunter auch die, die sie den Hunden wegzieht –, in frischem Seifenwasser, das Abwischen des Tisches und der Arbeitsflächen, das Auswringen der Spüllappen, als müsse sie Hühnern den Hals umdrehen. Und Fragen an Juliet, mit Pausen.
    »Sind Sie eine Freundin von Ann? Kennen Sie sie von früher?«
    »Nein.«
    »Nein. Glaub ich auch nicht. Sie sind zu jung. Warum wollten Sie dann zu ihrer Beerdigung kommen?«
    »Wollte ich gar nicht«, sagt Juliet. »Ich wusste nichts davon. Ich bin nur zu Besuch vorbeigekommen.« Sie bemüht sich, so zu klingen, als sei das eine Laune von ihr, als habe sie viele Freunde und die Angewohnheit, ohne Vorankündigung bei ihnen vorbeizuschauen.
    Mit ausnehmender Sorgfalt und Hartnäckigkeit scheuert Ailo einen Topf aus, da sie es vorzieht, darauf nicht zu antworten. Sie lässt Juliet mehrere Töpfe lang warten, bis sie etwas sagt.
    »Sie kommen Eric besuchen. Sie haben das richtige Haus gefunden. Eric wohnt hier.«
    »Sie wohnen aber nicht hier?«, fragt Juliet, als könne sie damit das Thema wechseln.
    »Nein. Ich wohne nicht hier. Ich wohne den Hügel runter, mit meinem Mann.« Das Wort
Mann
hat ein besonderes Gewicht, aus Stolz und Vorwurf.
    Ohne zu fragen füllt Ailo wieder

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