Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
Hals trug er eine weiße Manschette, wie man sie zur Stabilisierung des Nackens bei einem Schleudertrauma erhält. Der Blick des Mannes ging ins Leere, er erweckte den Eindruck, als wäre er intensiv mit einer Geschichte beschäftigt und deshalb tief in seiner Gedankenwelt versunken.
„Siehst du den Mann da?“, fragte ein Wachebeamter und zeigte nach unten auf die Gestalt bei dem Range Rover. Sein Kollege nickte.
„Der kommt öfters hierher und starrt auf die Mauer.“
„Das ist aber doch sehr verdächtig! Sollen wir nicht Alarm schlagen?“, fragte der Wachebeamte.
„Nein, wozu!“ Sein Kollege konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „Der Mann ist Polizist.“
*
Tony Braun starrte auf die fugenlose graue Mauer des Hochsicherheitsgefängnisses von Garsten bei Steyr, warf dann einen Blick nach oben zu dem Wachturm, wo ihn die Wachmannschaft durch ihre Ferngläser beobachtete. Vorsichtig drehte er den Kopf in der unförmigen Halskrause, die er seit der Attacke von Gregor Pestalozzi tragen musste und die ihm wahnsinnig auf die Nerven ging. Er drückte eine Schmerztablette aus der Blisterverpackung und schluckte sie ohne Wasser. Der Wind pfiff die Mauer entlang, wehte Motorenlärm zu Braun herüber, trotzdem bildete er sich ein, die dünnen Räder des schwarzen Rollstuhls quietschen zu hören, mit dem der Gelähmte manisch im Gefängnishof Runde um Runde zog.
Natürlich wusste Braun, dass er auch heute wieder unverrichteter Dinge wegfahren würde. Die Schmerztablette wirkte bereits, denn als Braun vorsichtig den Kopf bewegte, spürte er nichts und erleichtert riss er sich die lächerliche Halskrause herunter und warf sie in seinen Wagen. Als er sich ans Steuer setzte, schlug er mit der Faust auf das Lenkrad.
„Scheiße! Aber das nächste Mal schaffe ich es!“, zischte er wütend, startete den Motor und fuhr zurück nach Linz in die Polizeidirektion.
Die Mordkommission war im zweiten Stockwerk eines hässlichen Büroturms aus den Sechzigerjahren untergebracht und Brauns Büro befand sich am hinteren Ende des Gangs, wo durch eine Milchglasscheibe spärliches Tageslicht hereinsickerte und den in deprimierendem Grau gestrichenen Wänden einen trüben Glanz verlieh. Links und rechts gingen unzählige Türen ab, hinter denen seine Kollegen die Straftaten bearbeiteten, die in einer Stadt wie Linz zum Alltag gehörten. Auf weiß lackierten Bänken saßen zusammengesunkene Gestalten, die mit offensichtlich schlechtem Gewissen auf ihre Vernehmung warteten, dazwischen standen wie düstere Schatten uniformierte Polizisten in ihren dunkelblauen Monturen. Doch Braun achtete nicht weiter darauf, er war ziemlich mieser Laune, hatte immer die Tür links vorn im Blick, hinter der sich die Kommandozentrale befand, die diesen endlosen Kreislauf aus Kriminalität und Bestrafung mit Befehlen und Anweisungen in Bewegung hielt. Das war das Büro des Chefs der Mordkommission, sein Büro.
Als Braun die Tür öffnete, telefonierte sein Partner Dominik Gruber gerade.
„Du rührst dich nicht von der Stelle!“, zischte Gruber noch schnell in sein Handy und beendete dann hastig das Gespräch. Abwartend lehnte er am Besprechungstisch, der vor einer leeren Wand stand, auf die man bei Bedarf mit dem altersschwachen Beamer Fotos, Videos und Protokolle projizieren konnte.
Dominik Gruber war der Designstar der Mordkommission Linz, der immer wieder als Fotomodell für den Polizeikalender herhalten musste, dessen Bild in allen Zeitungsredaktionen archiviert war und immer dann zum Einsatz kam, wenn allgemein über die Mordkommission berichtet wurde und man einen besonders smarten Polizisten mit Ecken und Kanten abbilden wollte.
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