Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
Problem?«, hakte Abnuwas sofort nach.
»Darüber braucht Ihr Euch nicht den Kopf zu zerbrechen. Es sind belanglose Fragen, die Eurer nicht würdig sind«, beschwichtigte ihn der Narr. »Ich habe Euch vorhin übrigens gesucht, um Euch davon zu unterrichten, dass einer Eurer Jagdhunde auf zwei Pfoten lahmt. Könntet Ihr nicht …«
»Aber sicher!« Abnuwas sprang auf. »Warum habt Ihr das nicht gleich gesagt, Narr? Ich gehe unverzüglich zu dem armen Hund!«
Kaum hatte sich der Sultan entfernt, da reckte der Narr die Arme zur Decke. »So ist das mit ihm! Er ist allen gegenüber gut. Er unterscheidet nicht zwischen dem kleinen und dem großen Guten. Er sieht nicht, wie durch eine Kleinigkeit das Ganze leidet. Wahrscheinlich haben der Großwesir und ich uns in jener Nacht auch an dieser Krankheit angesteckt … sonst hätten wir den Thron nicht für einen denkbar ungeeigneten Sultan freigehalten.«
»Sutar«, sagte Trix eindringlich, »ich verstehe das ja. Wir dürfen den Sultan nicht mit dem MP behelligen. Aber vielleicht sollten wir uns an den Großwesir wenden?«
»Ich hatte eigentlich eine Audienz am späten Abend vorgesehen«, sagte Sutar. »Aber wenn du schon einmal hier bist, können wir auch gleich zu ihm gehen. Akhsogud sieht sich gerade eine Theateraufführung an. Das versetzt ihn meist in gehobene Stimmung.«
Trix spinnt Ränke
1. Kapitel
Der Großwesir Akhsogud genoss den Ruf, ein Patron aller Künste zu sein: ein Kenner der Malerei, Bewunderer der Musik, Verehrer der Bildhauerei, Fachmann der Architektur, Freund des Handwerks und eine Schatztruhe des Wissens. All diese Titel können bei einem Großwesir nicht überraschen. Außergewöhnlich war jedoch die Tatsache, dass Akhsogud die Künste tatsächlich förderte, alte und neue Meister zu unterscheiden wusste, Volks-, Kammer- und Opernmusik liebte und auch selbstverfasste Lieder zur Laute nicht verschmähte, alte Statuen vergötterte (besonders wenn sie schöne entblößte Frauen zeigten), sämtliche Prachtbauten Samarschans und des Königreichs auswendig aufzählen konnte, geschmackvolle Arbeiten eines Kunsttischlers oder Goldschmieds schätzte und einen Befehl erlassen hatte, alle Kinder männlichen Geschlechts hätten das Lesen, Schreiben und Rechnen zu erlernen, sofern sie einen entsprechenden Wunsch äußerten.
Deshalb erstaunte es auch nicht, dass schöpferische und auf Anerkennung (ebenso wie auf Gold und Silber) erpichte Menschen aus allen Himmelsrichtungen in Dachrian zusammenströmten. Selbst die stolzen Meister der Barbaren, die aus Walrossknochen und Minotaurenhörnern heilige Amulette schnitzten, besuchten zuweilen Dachrian; selbst die Zwerge schickten hin und wieder ihre Schmiede hierher, damit diese an der Fakultät fürs Hämmern und Gießen unterrichteten; ja, selbst die hochnäsigen Elfen nahmen einst an einem Sängerstreit teil – worauf die Meistersinger der Menschen die nächsten Jahrzehnte ihre Profession beschämt ruhen ließen.
Trix legte gegenüber der Kunst den für einen Adligen ebenso wie für einen Magier typischen Dünkel an den Tag. Gewiss, es bedurfte zumindest grundlegender architektonischer Kenntnisse, um einen Magierturm oder auch nur einen schnöden Palast zu schaffen. Auch bereitete es ihm stets Vergnügen, während eines Festmahls einem Barden zu lauschen – aber deswegen ganze Tage damit verschwenden, sich Tänze anzusehen oder Bilder zu betrachten?
»Wir wollen nur hoffen, dass der Großwesir heute nicht allzu kunstversessen ist!«, murmelte Sutar, als sie zu ihm gingen.
»Wieso? Was wäre daran so schlimm?«
»Wenn der Großwesir sich gerade für Gemälde entzückt, bittet er dich womöglich, deine Frage zu zeichnen. Ist er dem Tanz verfallen, musst du sie vortanzen. Wisse auch, Jüngling, dass der Großwesir denjenigen wohlgeneigt ist, die seine Begeisterung für die Kunst teilen.«
»Dann will ich hoffen, dass er heute nicht für Marmorstatuen schwärmt«, sagte Trix. »Sonst würde es ein paar Monate dauern, mein Anliegen zu meißeln.«
Trix und Ian folgten dem Narren durch einen langen Gang, wobei sie mit ihrem Auftauchen Soldaten wie Diener in Aufruhr versetzten. Sutar musste im Palast wirklich einiges zu sagen haben. Nachdem sie eine Marmortreppe hinaufgestiegen waren, betraten sie durch eine geschnitzte Tür eine anheimelnde Loge. Der Theatersaal war in schummriges Licht getaucht, der Vorhang vorgezogen. Das Publikum dort unten – zumeist Menschen aristokratischen Aussehens – unterhielt
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