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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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wirklich zu. Ich denke: Also holen mich die Männer in dem Krankenhaus-Szenario ein. Ich muss machen, dass ich hier rauskomme. Ob das funktioniert? Ich weiß es nicht. Aber ich bin an diesem zu dichten, dunklen Ort völlig verloren: eine nächtliche Stadt, die ich irgendwie erschaffen habe, die sich irgendwie auf das Bewusstsein all der Menschen »draußen« bezieht. Sind wir etwa – wie lange? – zehn Troposphären-Minuten gegangen, um hierherzukommen? Schwer zu sagen.
    Dann höre ich es: quietschende Räder. Apollo Smintheus hört es auch. Sein graues Gesicht verzieht sich, er runzelt die Stirn und seine Ohren zucken.
    »Sie gehen jetzt besser«, sagt er.
    »Was ist das?«, frage ich.
    Aber dann gibt es keinen Zweifel mehr, was es ist. Die beiden blonden KIDS kommen den Berg hinunter, eins auf einem Skateboard und das andere auf einem verrosteten Fahrrad. Sie sind beide noch ziemlich weit weg.
    »Gehen Sie«, sagt Apollo Smintheus. »Ich werde mich um sie kümmern.«
    »Und wenn sie mir folgen?«
    »Sie können nicht unter die Erde. Gehen Sie jetzt einfach. Die beiden sollten Sie hier nicht sehen.«
    »Aber vermutlich wissen sie schon, dass ich hier bin. Ich meine …«
    »Sie sind Ihnen nicht gefolgt. Sie sind immer noch verschwunden. Sie sind mir gefolgt. Aber ich werde mit ihnen fertig. Gehen Sie einfach, bevor die beiden Sie sehen.«
    Er geht los, auf die KIDS zu. Ich frage mich, was er mit ihnen machen wird.
    »Apollo Smintheus?«
    »Ich werde Sie sehen, wenn Sie wiederkommen«, ruft er über seine knochige Schulter.
    Der Himmel ist immer noch dunkel, und es gibt wieder einen kurzen Blitz wie bei einem Gewitter, als ich die Treppe hinunterlaufe. Bin ich jetzt in Sicherheit? Muss ich wohl sein. Aber das war ziemlich knapp. Ich kann meine Schritte nicht hören; alles, was ich höre, ist ein echoartiges Tropfgeräusch. Die Sicht hier unten ist nicht besonders gut; hier und da spendet eine orangefarbene Lampe an der Betondecke trübes Licht, aber mehr auch nicht. Ich verlangsame das Tempo und versuche zurückzuschauen, aber ich kann nichts sehen. Hier unten ist mehr Schatten als Licht. Aber ich habe diesen Raum erschaffen, denke ich. Warum habe ich ihn nicht mit mehr Lampen ausgestattet? Ich versuche, mehr Licht in den Raum hineinzudenken, aber nichts geschieht. Als wäre das meine Vorstellung einer U-Bahn-Station und als gäbe es keine Möglichkeit, daran etwas zu ändern. Ich behalte mein Tempo – halb gehend, halb laufend – durch den Tunnel bei und gelange immer tiefer unter die Erde. Aber ich kann hinter mir nichts hören, und nach mehreren Minuten komme ich zu dem Schluss, dass ich in Sicherheit bin – vorerst. Inzwischen mache ich mir Sorgen, dass dieser lange Betontunnel nie mehr aufhören oder sich verändern wird. Dann stehen auf einmal überall Schilder und einige schwarz-weiße Monitore, die wohl Abfahrts- und Ankunftszeiten anzeigen. Ich bemerke, dass jetzt zu beiden Seiten des Tunnels Treppen hinabgehen. Auf dem Schild an der linken Seite steht Bahnsteig 365, auf dem an der rechten Bahnsteig 17. Was soll das bedeuten? Und wie soll ich bloß rauskriegen, wie ich in diesem Netz zu mir selbst zurückkomme?
    Konsole?
    Sie erscheint.
    Was soll ich jetzt machen?, frage ich.
    Lesen Sie die Abfahrtstafel, lautet die Antwort.
    So viel dazu, dass es auf meiner Konsole einen Fahrplan gibt.
    Alle Bildschirme scheinen Abfahrten anzuzeigen. Gibt es hier keine Ankunft? Ich bleibe vor einem stehen und lese die Anzeige. Und dann weiß ich nicht, was ich denken soll. Es scheinen auf der Tafel gar keine Zeiten aufgelistet zu sein; da sind nur ganz viele Bahnsteignummern. Und die Bahnlinien heißen Angst, Liebe, Wut, Frustration, Ekel, Schmerz, Ekstase, Hoffnung, Trost. … Jedes abstrakte Gefühl, das man sich vorstellen kann. Und merkwürdigerweise ist für alle Platz auf einem Bildschirm von der Größe eines tragbaren Fernsehers.
    Wie benutze ich dieses Verkehrsnetz?, frage ich die Konsole.
    Sie finden einen Bahnsteig und besteigen einen Zug.
    Aber welchen Bahnsteig?
    Wo wollen Sie hinfahren?
    Zu mir selbst. Oh – soll ich die Koordinaten benutzen?
    Nein. Die Koordinaten beziehen sich nur auf Ihre Position in der Troposphäre. Aber Sie versuchen, die Troposphäre zu verlassen.
    Also … Was mache ich dann?
    Sie schließen sich einer Gedankenbahn an, die sich auf den Geisteszustand des Menschen bezieht, mit dem Sie sich vereinigen möchten: in diesem Fall Sie selbst. Und Sie steigen aus, wenn Sie dort

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