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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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stockte, als er sie sah, und flüsterte: »O je, sie hat uns gesehen. Das Mädchen ist schieres Gift.«
    »Gehen Sie nicht weg!«, rief sie. Und als die beiden näherkamen, fügte sie hinzu: »Ich heiße Sarah. Ich weiß, wer Sie sind. Sie sind Angelas Major, und Sie sind gerade für die Ferien aus England herübergekommen.« »So, so, für die Ferien«, staunte der Major still für sich.
    »Ich weiß nämlich alles, was hier passiert … auch alles über Ripon, stimmt’s, Ripon? Alles was Ripon in letzter Zeit in Kilnalough so treibt. Er sieht aus wie ein böser kleiner Engel, finden Sie nicht auch, Major, mit seinen Pausbacken und dem lockigen Haar?«
    »Sie sind grausam«, sagte der Major gutmütig. Und auch wenn ihre Augen hell und grau waren und ihre Handrücken sonnengebräunt (was vermuten ließ, dass sie ein modernes Mädchen war) und ihr Haar schwarz, schimmernd und äußerst lang, sodass es sich am Nacken teilte und ihr in zwei Strängen über die Brust fiel, und auch wenn sie eine Schönheit war, hatte der Major doch den Eindruck, dass Ripon wohl recht hatte als er sagte, sie sei Gift.
    »Was ich zum Beispiel über Ripon weiß, das ist, dass er am laufenden Band Lügen erzählt, stimmt’s, Ripon? Er erzählt seine Lügen sogar unschuldigen jungen Mädchen, die es nicht besser wissen und die ihm glauben; das stimmt doch, nicht wahr, Ripon? Nein, Major, schauen Sie nicht so verblüfft, ich rede nicht von mir selbst. Da müsste der junge Ripon schon früher aufstehen, bevor er mir einen von seinen Bären aufbinden könnte. So, jetzt wissen Sie, warum Ripon nett zu mir sein muss (obwohl er sicher hinter meinem Rücken schrecklich gehässige Sachen über mich sagt). Ich weiß alles. Und, willst du nett zu mir sein, Ripon?«
    »Ja, sicher«, murmelte Ripon, der, so wie er jetzt den Kopf hängen ließ, aussah, als ob ihm nicht ganz wohl in seiner Haut sei. »Du machst immer ein solches Aufhebens darum, dabei weißt du, dass wir dich in Wirklichkeit alle vergöttern.«
    »Nun«, sagte der Major, »ein oder zwei Dinge weiß ich ja auch über
Sie
, Sarah. Ihr Vater ist der Direktor der einzigen Bank in Kilnalough, und Sie erteilen Privatschülern Klavierunterricht in der Wohnung Ihres Vaters hinter der Bank. Ich hoffe, ich verwechsle Sie nicht? Nein? Sie haben sich von Piggott in Dublin einen Konzertflügel kommen lassen. Damit er ins Haus ging, mussten Sie ihm, wie ich höre, die Beine absägen und wieder anmontieren … Lassen Sie mich überlegen, was ich sonst noch weiß. Sie heißen Devlin, nicht wahr? Ich bin sicher, ich weiß noch mehr über Sie, aber mein Gedächtnis dieser Tage ist grässlich.«
    »Das haben Sie natürlich alles von Angela erfahren. Aber das wichtigste haben Sie vergessen.«
    »Und das wäre?«
    »Die Tatsache, dass ich katholisch bin. Ja, ich sehe Ihnen an, dass sie es Ihnen geschrieben hat, aber Sie fanden es zu peinlich, das zu sagen. Vielleicht halten Sie es auch für gute Manieren, wenn man einen solchen Makel nicht erwähnt.«
    »Aber das ist doch Unsinn.«
    »Achten Sie nicht darauf – Sarah ist wieder mal mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden, wie üblich.«
    »Sei still, Ripon! Das ist ganz und gar kein Unsinn. Ripons Vater nennt uns ›Fischfresser‹ und ›Allerheiligste‹ und so weiter. Das werden Sie auch tun, Major, wenn Sie sich hier in der ›besseren Gesellschaft‹ bewegen. Ja, Sie werden ja bald selbst ein ›besserer Herr‹ sein, einer, der hoch über uns gewöhnlichen Leuten steht.«
    »Ich will nicht hoffen, dass ich je so bigott werde«, sagte der Major mit einem Lächeln. »Man muss doch nicht gleich seinen Verstand aufgeben, nur weil man in Irland ist.«
    »In Irland muss man wissen, wohin man gehören will. Das hat nichts mit dem Verstand zu tun. Aber lassen Sie uns von etwas anderem reden, Major. Stimmt es, was man hört (denn natürlich höre ich sämtliche Klatschgeschichten), stimmt es, dass Angelas Major so lange im Hospital war, weil er, wenn man so sagen darf, nicht ganz beieinander war?«
    »Ja«, dachte der Major getroffen, »sie ist grausam … grausam … aber es muss ja auch entsetzlich sein, im Rollstuhl zu sitzen.« Er stellte sich vor, wie es wäre, wenn er für den Rest seines Lebens an den Rollstuhl gefesselt wäre, und es war tatsächlich eine entsetzliche Vorstellung. Plötzlich fühlte er sich außerordentlich müde, er musste an die stickige Luft in der Kabine des schwankenden Postboots denken, und ihm fiel wieder die endlose

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