Troubles (German Edition)
Speisesaal des Majestic keine solche Pracht mehr erlebt: schneeweiße Tischtücher, Silber, das im Kerzenlicht funkelte, goldgelb gekrönte Pasteten, mit delikatem Wild gefüllt, Fasane und Enten schillernd vom Aspik, feste, saftige Schinken, in Zucker und Nelken mariniert und mit weißen Spitzen geschmückt, eingelegtes Rindfleisch von schlammbrauner Farbe, ganze Pyramiden von dampfenden Windbeuteln, mit Hühnerragout gefüllt, mit Champignons und Meeresfrüchten. Auf langen Platten reckten sich Lachse, Köpfe und Schwänze schimmernd und schön, als wären sie gerade erst gefangen (wenn man nicht auf das trübe, anklagende Auge achtete), selbst als schon alles zwischen diesen beiden Enden, das köstliche rosa Fleisch, nach und nach schwand unter den Messern der tüchtigen, dezenten Kellner, die man eigens aus Dublin dafür engagiert hatte. Und dazu die Salate, die Suppen, die Pâtés und Hors-d’œuvres, das Spanferkel (auf das just in diesem Augenblick Edwards besorgter Blick fiel, denn er dachte an seine rosigen Lieblinge), die dampfenden Pies und Pasteten, die köstlichen Canapés, die verschiedenen Käsesorten, nicht nur irische, sondern auch importierte (wobei man die Käseauswahl auf einem Tisch ein wenig abseits platziert hatte, damit ihr Geruch nicht die Damen störte). Nicht zu vergessen die Desserts: die Berge von Sahnepudding, die nach Sherry und Cognac dufteten, die bebenden Obst- und Weingelees, in klarer wie in milchiger Form, aquamarinblau und garnelenrot, die schwarzen Früchtepuddings, auf denen die Brandybutter schmolz … und natürlich noch viel, viel mehr.
Auf all das warf der Major, dessen Leben seinen Sinn verloren hatte, ein teilnahmsloses Auge. Statt davon zu nehmen, blieb er am Kaffeetisch bei der Zuckerschale stehen, steckte finster einen Zuckerwürfel nach dem anderen in den Mund und zerkaute sie krachend. Sarah war nicht im Raum. Er war froh darüber. Nie wieder würde er ein Wort an sie richten.
Die anderen Gäste, deren Appetit nicht durch Liebeskummer gedämpft war, würdigten diese großartige Mahlzeit, wie sie es verdiente. Die älteren aßen mit Anstand, doch mehr als gut für sie war, leichtsinnig ein wenig hier und ein wenig da (die alten Damen des Majestic machten das Beste aus dieser Gelegenheit, auch einmal etwas Nahrhaftes zu bekommen), die anderen langten in einer Mischung aus Gefräßigkeit und Staunen (darüber, dass Edward so etwas so gut gelang) kräftig zu. Nur die vornehmsten Gäste (Lady Devereux, Sir Joshua und noch ein paar adlige Herrschaften) murmelten zwar »Wunderbar!«, »Wirklich kapital!«, nahmen jedoch, soweit man sehen konnte, nichts. Für sie waren dermaßen ächzende Tische natürlich ein ganz alltäglicher Anblick – und wer nichts hatte, der musste natürlich nicht nur für heute, sondern auch für morgen essen, »für alle Fälle« … Aristokraten hingegen, Millionäre und Schriftsteller brauchten so gut wie gar nichts zu essen; sie kamen tagelang mit einer Scheibe Toast und einem Wachtelei aus. Die Männer von den Hilfstruppen aßen mit dem Überschwang der Jugend, ihr Appetit beflügelt von dem Wein, den sie tranken. Sie hatten eine Abteilung für sich gebildet, in der es lachend und lärmend zuging, und als in diese Gruppe ein wenig Bewegung kam, sah der Major eine weiße Krinoline schimmern: die Zwillinge standen dort wie Bienenköniginnen umringt von ihrem Schwarm; sie probierten von allem, waren aber zu aufgeregt um zu essen, und sie lachten lauter als alle anderen, als die jungen Männer einander verspotteten und dumme Streiche spielten. Auf der anderen Seite des Tisches konnte der Dampf der Terrine mit Schildkrötensuppe nicht ganz das Elfengesicht verbergen, das sie melancholisch beobachtete. Der Major wartete, bis Charity zu ihm hersah, und winkte sie dann herüber.
»Warum tanzen Sie nicht mit mir?«, rief sie, als sie schwankend vor ihm zum Stehen kam.
»Ich hatte das Gefühl, du hast keine Zeit für mich«, antwortete der Major mit einem Lächeln. »Ich wollte euch nur sagen, vergesst den armen Padraig nicht ganz. Er sieht einsam aus, und wahrscheinlich traut er sich nicht, jemanden anzusprechen.«
»Ja, gut, wo ist er? Aber es könnte doch bestimmt mit den alten Frauen reden, wenn er wirklich wollte. Was ist aus Oma geworden?«
»Die sitzt im Salon. Anscheinend hat Mrs. Roche sie entwaffnet.«
In dem Augenblick kam Edward vorbei, zupfte Charity am Ohr, dass sie das Gesicht verzog, und flüsterte dem Major zu: »Würden Sie
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