Troubles (German Edition)
Verwesung begriffenes Etwas, auf dem die weißen Maden wimmelten. Aus der Mitte dieses Dings starrte ein großes Auge, bläulich und zergangen, den Major an, der es gerade noch zum Bad schaffte, wo er braune Suppe, gedämpften Speck und Kohl erbrach. Nach und nach schlich sich der Geruch des Dings ins Bad und hüllte ihn ein.
»Lasst uns beten. Lasst uns Gott dem Herrn für Seine Gnade danken, lasst uns Ihm für Seine Gerechtigkeit danken, wie sie sich uns im Friedensvertrag, unterzeichnet in der vergangenen Woche in Versailles, offenbart, in welchem der preußischen Tyrannei ihre gerechte Strafe zuteil wird … Denn die Gerechten werden triumphieren, sagt der Herr; und in dieser Welt sind wir alle, Groß und Klein, Gottes Gerechtigkeit und Seiner Ordnung unterworfen. Denn es
gibt
eine Ordnung im Universum … es
gibt
eine Ordnung. Alles in diesem Leben ist einem Zwecke bestimmt, vom Geringsten bis zum Höchsten, denn Gottes Welt ist eine Pyramide, die von den Niedrigsten unter uns bis zum Himmel emporreicht. Ohne diesen Zweck wäre unser Leben auf Erden nichts als eine zufällige Ansammlung verzweifelter Taten … eine zufällige Ansammlung verzweifelter Taten, sage ich. Ripon, würdest du wohl so anständig sein und diese Zigarette ausdrücken und warten, bis ich fertig bin?«
»Was?«, fragte Ripon mit verdutzter Miene. »Oh, tut mir leid.«
Edward wartete gebieterisch, bis sein Sohn die Zigarette in das trübe Wasser einer Vase mit ein paar blassgelben Rosen geschnippt hatte.
»Und lasst uns«, fuhr Edward mit gerunzelter Stirn fort, jetzt, wo er um seine Konzentration gebracht war, »… lasst uns niemals vergessen, wozu wir hiernieden sind, lasst uns nicht die Rolle vergessen, die jedem von uns im göttlichen Heilsplan bestimmt ist. Wir dürfen nicht zaudern. Denn es
gibt
eine Ordnung. Ohne sie wäre unser Leben sinnlos. Lasst uns also dem Herrn danken für die Pflichten, die mit der Gnade, welche Er uns gewährt, einhergehen, lasst uns darum beten, dass wir sie stets als Seine treuen Diener erfüllen … Und lasst uns dem Herrn für all Seine Gnade danken, für die Familien, die Er wieder zusammengeführt hat, für die Früchte des Landes, die auf unseren Tisch kommen …«
Edwards Inspiration war versiegt, und seine Augen schossen durch den Raum auf der Suche nach Dingen, für die er noch danken konnte; immer wieder musste er innehalten, um neues Beweismaterial aufzunehmen, das weiter von der Großzügigkeit der göttlichen Gnade zeugte. So kam es, dass er dem, was konventionellerweise als Gabe des Himmels gewürdigt wird, noch manch kuriosen Gegenstand hinzufügte: »die Stühle, auf welchen unsere matten Leiber Ruhe finden« zum Beispiel, die »treuen Hunde« von Kilnalough, oder, am kuriosesten, »die hervorragenden hundert Runs, welche Hobbs am gestrigen Tage gegen Lancashire gelangen«. Allmählich hatte der Major das Gefühl, dass es nie zu Ende sein würde: Wenn man Gott für Stühle, Hunde und Kricketspieler dankte, warum sollte man da je aufhören?
Aber Edward hörte dann doch auf, nach einer besonders langen und quälenden Pause, und zwar indem er im Namen derjenigen Anwesenden dankte, »welche die finsteren Stunden der Nacht überstanden haben.« Na, dazu sage ich Amen, dachte der Major grimmig.
Nicht dass das Gebet damit zu Ende gewesen wäre. Edward hatte noch der Gefallenen zu gedenken. Nun schämte sich der Major, der schon wieder hungrig war (entweder weil er von der Landluft Appetit bekam oder weil er die einzige nennenswerte Mahlzeit, die er in den letzten vierundzwanzig Stunden zu sich genommen hatte, wieder erbrochen hatte) dafür, dass er Edwards Gebet mit freigeistigen Gedanken begleitet hatte. Mit dem Blick weiterhin auf die riesige Silberschüssel geheftet, auf der ein kuppelförmiger Deckel mit ornamentaler Spitze ruhte (wodurch dieser Deckel seltsam an einen deutschen Soldatenhelm erinnerte) und in der, wie er vermutete, Eier, Speck und Nieren kalt wurden, mühte er sich nach Kräften, seinen Gedanken wieder eine frömmere Wendung zu geben.
Der Frühstücksraum, wenn auch klein im Vergleich zum Speisesaal, war weit und luftig, und an sonnigen Tagen war er vermutlich sonnig, denn die riesigen Fenster, deren obere Bereiche (jenseits dessen, was sich von dem niedrigen Fensterbrett mit ausgestrecktem Arm erreichen ließ) trübe vom Schmutz waren, wiesen nach Süden. Die Familie Spencer und eine Reihe Hotelgäste hatten sich um den größten der Tische versammelt, Hände auf den
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