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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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versteckt hatte. Er döste in einem Korbstuhl im Frühstücksraum hinter einem großen orientalischen Wandschirm mit Intarsien aus Perlmuttdrachen, Pagoden und Sampans. Der Major packte die Gelegenheit beim Schopfe und fragte: »Wie geht es ihr, Doktor?«
    »Hm?« Der alte Mann fuhr schuldbewusst hoch. »Ach, Sie sind das.« Er streckte eine fleckige, blau geäderte Hand aus und zog den Major in einen zweiten Korbstuhl ihm zur Seite. »Ihr fehlt nichts. Nichts Ernstes. Eine Erkältung. Ein wenig Fieber … Aber das ist nichts. Ihre Zukunft hier in dieser Stadt,
darum
mache ich mir Sorgen. Ihr Vater hat keinen Mumm. Ein prachtvolles Mädchen, aber was soll aus ihr werden? Sie ist aus anderem Holz geschnitzt als der Rest.«
    »Da bin ich erleichtert, dass es nichts Ernsthaftes ist«, antwortete der Major; aber er war doch überrascht, dass der Doktor fand, Edward habe keinen Mumm. »Warum seid ihr jungen Männer nur so dumm? Wenn Sie bei Verstand wären, würden Sie sie heiraten. Wie war doch gleich Ihr Name?«
    »Brendan Archer.«
    »Der Mann hat so wenig Rückgrat wie ein Pudding. Was soll aus dem Mädchen werden? Irland ist kein Ort für ein Mädchen wie sie, eine mit ein wenig Geist …«
    Dem Doktor fielen wieder die Augen zu, und er schlief oder schien zu schlafen. Der Major sagte sich, dass dies die Nachricht war, auf die er gewartet hatte, dass er frei war, dass Angela, wenn sie nur eine Erkältung hatte, sicher in ein oder zwei Tagen wieder auf den Beinen sein würde, und dann ließ sich alles regeln. Behutsam stand er auf, um Dr. Ryan nicht zu stören, doch der alte Mann war wach und beobachtete ihn.
    »Sagen Sie ihnen nicht, wo ich bin, Mr. Archer. Ach! Alte Frauen!« Hier lachte er leise, doch verächtlich. »Sie ist die einzige in der ganzen Grafschaft Wexford, die auch nur einen Penny wert ist«, murmelte er, halb zu sich selbst. »Was für Dummköpfe!« Er hielt inne und seufzte wiederum schwer. »Die Engländer sind Dummköpfe; sie werden Irland verlieren, wenn sie so weitermachen. Aber wollen sie es überhaupt behalten? Wissen sie überhaupt, was sie wollen? Ach, die Protestanten werden noch vor Schreck in ihren Betten sterben, und das geschieht ihnen recht!«
    Einmal am Nachmittag, als er genug von der Empire-Bar hatte, wo er die Zeitung las und die Kätzchen mit seinen Schnürsenkeln spielten und über den Teppich tollten, machte der Major sich zu einem Spaziergang auf, begleitet von Haig, einem Red Setter. Auf dem Weg über die Felder kam er an den grauen Steinhäusern vorbei, die er bisher nur aus der Ferne gesehen hatte, den Häusern von Edwards undankbaren Pächtern. Er sah kein Anzeichen von Leben: ein heruntergekommenes Bauernhaus, gebaut aus grob eingepasstem grauem Bruchstein und umgeben von einem Garten aus getrocknetem Schlamm; einst mochte es einmal Gras gewesen sein, aber jetzt war es zu tiefen Furchen zerwühlt. Kurz spielte er mit dem Gedanken, sich einmal umzusehen; doch als er über den Zaun stieg und am Rand eines Kornfelds entlang (das Korn war immer noch grün wie Gras) näherkam, schlug ein Hund wütend an, dann ein zweiter, und er hatte auch das Gefühl, dass ein feindseliges Gesicht ihn vom Fenster aus beobachtete, und binnen Kurzem – sie zerrten an Ketten irgendwo unsichtbar hinter Mauern, jenseits von Hecken, hinter verschlossenen Türen – schlug rund um ihn her eine wilde Hundemeute Alarm.

Nachdem er zwei weitere Felder und einen Bach überquert hatte, gelangte der Major an einen Schotterweg, von dem er annahm, dass er ihn nach Kilnalough führen würde. Es war kühl geworden, jetzt wo die Sonne sich schon senkte. Der graue Rauch von Torffeuern stieg aus ein oder zwei Schornsteinen von Kilnalough auf, kaum zu erkennen vor dem bleichen, wolkenlosen Westhimmel; der Horizont wirkte äußerst kalt und klar, als sei es bereits Winter. Er zitterte. Winter 1919. Ein Friedenswinter: Schlittschuhläufer auf den gefrorenen Teichen, geröstete Kastanien? Er konnte sich gar nicht mehr erinnern, wie die Winter in Friedenszeiten gewesen waren, und er versuchte, sie sich durch die Blase der Bitterkeit, in der sein Verstand gefangen lag, dick wie Panzerglas, vorzustellen. Doch alles, was er sah, war Krieg. Für ihn war der Krieg noch nicht zu Ende. Zwar ging er nicht mehr zum Morgengebet und musste sich die Bilder von Edwards Gedenktafel nicht mehr ansehen, aber es gab andere Bilder, verwaschen, vorwurfsvoll, die nach wie vor auf der Titelseite der
Weekly Irish Times
erschienen. Die

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