Troubles (German Edition)
sei ein braves Mädchen und zieh dein Kleid aus, damit wir diese hier anprobieren können. Wenn sie nicht passen, lassen wir sie von der Köchin ändern – wie ich höre, ist sie sehr geschickt mit Nadel und Faden. Bei der Gelegenheit könnt ihr euch auch mal ein paar Sachen von ihr zeigen lassen … in der Schule habt ihr ja anscheinend nicht viel gelernt … Irgendwann habt ihr vielleicht einen eigenen Haushalt, und man weiß nie – so wie die Dinge jetzt stehen, habt ihr nicht immer Dienstboten, die euch versorgen … jedenfalls«, schloss er kleinlaut, »hat es noch keiner geschadet, wenn sie nähen kann.«
»Ich glaube, mir schwinden die Sinne«, rief Faith theatralisch und ließ sich auf das Bett fallen, dass die Sprungfedern quietschten.
»Iiiih! Das ist das Sterbebett von einer Toten, auf dem du da sitzt, Faithy.«
»Redet nicht so von Angela!«, fuhr Edward sie an, »sonst bekommt ihr beide eine Tracht Prügel und geht auf eure Zimmer.«
»Wieso
ich
denn? Das war Catty, die das gesagt hat«, erwiderte Faith beleidigt. »Und außerdem
ist
mir auch schlecht und wahrscheinlich kommt mir gleich alles hoch.«
»Faith, du bist wi-der-lich«, sagte Charity und musste trotz allem grinsen. »Auf einmal ist mir auch ganz komisch.«
»Ihr haltet jetzt beide den Mund und sucht euch eins von diesen Kleidern hier aus, bevor mir der Geduldsfaden reißt. Sie sind so gut wie neu; manche sind überhaupt nie getragen.«
»Welche?«, fragte Faith skeptisch und stocherte mit ihrem Tennisschläger in dem Kleiderhaufen.
Der Major hatte sich seine Pfeife angezündet und sah den Zwillingen zu, die in den Kleidern wühlten, sich eins nach dem anderen vorhielten, um zu sehen, wie sie damit wirkten. Es war offensichtlich (und eines der vielen Dinge, die der Major nicht über sie gewusst hatte), dass Angela ein Faible für extravagante Kleidung gehabt hatte. Fast alle hatten Kaskaden von quer verlaufenden Biesen; ein schweres Gesellschaftskleid aus in Chrysanthemenmuster geprägtem Samt reichte bis zum Boden und lief in einem Schwalbenschwanz aus; es gab dicke Wollkleider mit Überkleidern, alle bestickt oder mit Tressen besetzt; es gab ein Abendkleid aus blauem Satin mit einer schwarzen Samtschärpe, deren Enden als Schleppe über den Boden reichten; es gab ein Kleid aus schwarzem Taft oder Crêpe de Chine, über und über mit Borten besetzt; und es gab einen Umhang aus Maulwurfsfell mit passendem Muff.
»Das sind doch Sachen für eine alte Frau!«
»Macht schon, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit«, sagte Edward. »Entscheidet euch. Wenn sich nicht jede von euch in den nächsten dreißig Sekunden ein Kleid aussucht, dann tue ich das für euch.«
Angesichts dieser Drohung trafen die Zwillinge widerwillig ihre Wahl: Charity ein einfaches Tageskleid aus blauem Leinen mit weißem Organdykragen, Faith ein Gesellschaftskleid aus Seidengestrick mit einem Gürtel aus Goldkordel mit Quasten bis zu den Knöcheln.
»Daddy, mir ist schlecht …«
Aber Edward war jetzt sichtlich mit seiner Geduld am Ende, die Zwillinge zogen sich schmollend zum Umkleiden zurück.
Der Major hatte sich in einen Sessel sinken lassen und fragte sich, ob er Edward wohl bitten konnte, ihm das Foto von sich zurückzugeben, das auf der Frisierkommode stand (die Aufnahme aus Brighton aus dem Jahre 1916 zeigte einen recht unbekümmerten jungen Mann, der kaum Ähnlichkeit mit dem stoischen, grimmigen Antlitz hatte, das ihm dieser Tage aus dem Spiegel entgegenschaute). Er wollte das Bild nur, damit er es aus diesem Zimmer entfernen konnte, aus der Gesellschaft der Haarbürsten und anderer Reliquien, nur damit er es vernichten konnte … er wusste nicht warum. Aber er traute sich ohnehin nicht zu fragen, denn er fürchtete, dass Edward es ihm übelnehmen könnte.
Edward kniete zwischen den Kleiderbündeln und wühlte gedankenverloren darin.
»Die arme Angie! Irgendwo müssen noch Massen sein: Unterröcke und Schlüpfer und Korsetts und so weiter … sie hatte Kleider so gern, hat immer Sachen gekauft, die hier auf dem Land nie jemand anziehen konnte.«
Er hielt ein schwarzes Samtkleid hoch, das sich leer zwischen seinen Armen bauschte; was darin fehlte, war Angela.
»Das hat sie an dem Tag getragen, an dem sie dem Vizekönig vorgestellt wurde. Zum Vergnügen haben wir für die Fahrt zum Phoenix Park die Straßenbahn genommen, statt eine Kutsche zu mieten, beide aufgedonnert wie Pfingstochsen. Was haben die Leute uns angestarrt! Wir haben uns einen Spaß
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