Trügerische Ruhe
und Taylors Blut analysiert und die Drogen-screens der beiden mit negativem Befund zurückgeschickt hatte. Waren die Befunde gefälscht, fragte sie sich, und wenn ja, was versuchte man zu verbergen? Es war das gleiche Labor, das kürzlich der Abteilung für Kinderheilkunde in Two Hills einen Zuschuß für eine Reihenblutuntersuchung bei den Teenagern der Gegend gewährt hatte. Welches Interesse hatte Anson an den Kindern von Tranquility?
Sie nahm ihr Handy heraus und rief Anthony im Labor des Knox an. »Was wissen Sie über Anson Biologicals?« fragte sie ihn. »Wie kam es dazu, daß sie einen Vertrag mit unserem Krankenhaus bekommen haben?«
»Also, das war eine komische Sache. Wir haben immer all unsere Gaschromatogramme und Radioimmunoassays an BloodTek in Portland geschickt. Und dann, vor etwa zwei Monaten, sind wir plötzlich zu Anson gewechselt.«
»Wer hat die Entscheidung getroffen?«
»Der Leiter unserer Pathologie. Es gab einen guten Grund für den Wechsel, denn bei Anson sind die Preise viel niedriger. Das Krankenhaus konnte nicht nein sagen. Wir sparen dabei wahrscheinlich Tausende von Dollar.«
»Könnten Sie mehr über die Firma herausfinden? Ich muß es so schnell wie möglich wissen. Sie können mich über meinen Pager erreichen.«
»Was genau möchten Sie wissen?«
»Alles. Ob es mehr ist als nur ein Diagnoselabor. Und welche anderen Verbindungen es mit Tranquility gibt.«
»Ich sehe mal, was ich herausfinden kann.«
Sie beendete das Gespräch. Obwohl sie den elektrischen Heizofen eingeschaltet hatte, wirkte der Raum kalt. Sie machte ein Feuer im Holzofen und bereitete sich aus Max’ spärlichen Vorräten ein Frühstück zu, Kaffee, Toast mit Butter und ein etwas schrumpeliger Apfel. Als sie mit dem Essen fertig war, strahlte der Ofen bereits eine solche Hitze aus, daß sie allmählich ganz schläfrig wurde. Sie rief nochmals im Krankenhaus an, um sich nach Noahs Zustand zu erkundigen; dann setzte sie sich ans Fenster und wartete.
Er konnte ihr nicht ewig aus dem Weg gehen.
Nur wenige Augenblicke schienen vergangen zu sein, als sie in ihrem Sessel aufschreckte. Ihr Nacken schmerzte von der unbequemen Schlafposition. Es war drei Uhr, und das morgendliche Licht hatte sich in die schrägen Strahlen der Nachmittagssonne verwandelt.
Sie stand auf und massierte sich den Nacken, während sie ruhelos im Haus umherwanderte. Ins Schlafzimmer, dann wieder zurück in die Küche. Wo war er? Er würde doch sicherlich zurückkommen, um seine Wäsche zu holen.
Sie blieb im Wohnzimmer stehen, und ihr Blick fiel auf die topographische Karte an der Wand. Sie trat näher heran, und was ihr plötzlich ins Auge fiel, war der Schriftzug »Beech Hill, Höhe über NN 295 m«. Was hatte noch Lois Cuthbert bei der Stadtversammlung gesagt? Es hatte etwas mit den Lichtern zu tun, die einige Leute oben auf dem Hügel hatten flackern sehen, und mit den Gerüchten, daß sich Satansanbeter nachts in den Wäldern versammelten.
Lois hatte das mit den Lichtern erklärt. Es ist bloß dieser Biologe, Dr. Tutwiler, der nachts auf Salamanderjagd geht. Ich habe ihn neulich im Dunkeln fast überfahren, als er auf dem Weg zurück aus dem Wald war.
Claire blieb nur noch eine Stunde Tageslicht, und sie brauchte es, um zu finden, wonach sie suchte. Sie wußte schon, wo sie anfangen mußte.
Sie ging nach draußen und stieg in ihren Wagen.
Der Schnee würde ihr die Suche erleichtern. Sie nahm die Straße, die nach Beech Hill hinaufführte. Als sie an Emersons Grundstück vorbeikam, bremste sie ab und sah, daß die Zufahrt zu seinem Haus nicht geräumt war. Es hatte geschneit, seit sie das letzte Mal dort gewesen war, um die Katze zu füttern, und es gab keine neuen Reifenspuren. Sie fuhr weiter. Jenseits von Emersons Grundstück gab es auf Beech Hill keine weiteren Häuser, und die Straße war von hier an nicht asphaltiert. Vor Jahrzehnten hatte dieser Weg den Holzfällern zum Abtransport der Stämme gedient; heute benutzten ihn nur noch Jäger oder Wanderer, die zu dem Aussichtspunkt oben auf dem Gipfel unterwegs waren. Die Schneepflüge der Stadt hatten den Neuschnee nicht geräumt, und mit ihrem Subaru kam sie nur mühsam voran. Vor ihr war schon ein anderer Wagen hier entlanggefahren; sie konnte die Reifenspuren deutlich erkennen.
Ein paar hundert Meter hinter Emersons Grundstück bogen die Spuren von der Straße ab und führten zu einem Kiefernwäldchen. Kein Fahrzeug war zu sehen; wer auch immer hiergewesen war, er war
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