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Trügerischer Friede

Trügerischer Friede

Titel: Trügerischer Friede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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die Nacht in den sicheren Mauern der Stadt zu verbringen und am nächsten Morgen nach Amskwa aufzubrechen, hatte er vernommen. Lodrik wollte dafür sorgen, dass man sie tot in ihrem Bett fand, gestorben an der schrecklichen Krankheit, an der sie angeblich litt. Die beste Lösung, um einem Mythos vorzubeugen.
    Er wusste, welches Siechtum sie befallen hatte. Es war der Preis der Nekromantie, der Übergang in die Totenwelt, ohne tot zu sein. Selbst ihre überragende Schönheit konnte davon nicht verschont bleiben und schwand, machte sie abscheulich, Angst einflößend und furchtbar. Die Magie, die sie jahrelang benutzt hatte, brannte sie aus und ließ sie altern, verfallen wie ein ausgebranntes Haus. Bevor er Zvatochna stellen konnte, musste er sie zunächst finden. Soschas Seele hatte sich nicht mehr eingefunden. Seit ihrer Flucht in Ulsar vor dem Ungeheuer oder vor seiner dunklen Präsenz war sie nicht mehr aufgetaucht.
    Daher benötigte er andere Seelen, um sie auf die Suche zu senden. Lodrik wusste, wo sich die Ärmsten der Stadt versammelten. Dort gab es genügend Seelen, derer er sich bedienen durfte; für sie wäre das Scheiden aus dem Leben eine Erlösung ihres Leides, und es würde die Herzen der übrigen Granburger erleichtern, das Elend in den Gassen nicht mehr mit ansehen zu müssen.
    Er fand sie in dem Nordviertel in den verfallenden, schäbigen Gebäuden der Tagelöhner, sichtlich an den Rand der Gesellschaft verdrängt. Lodrik näherte sich den beleuchteten Fenstern, rieb ein Guckloch in die eisbesetzte Scheibe und entdeckte sieben zerlumpte Gestalten, die sich an einem kleinen, flackernden Feuer die Glieder wärmten.
    Es bedurfte nicht viel seiner Macht. Sie starben einen schnellen, unerwarteten Tod. Die Angst riss ihnen das Leben heraus, die erschrockenen, aufgeregten Seelen trennten sich von den sich windenden Körpern und trieben Lodrik in die Arme.
    »Ihr gehorcht mir und erhaltet dafür einen Lohn, den ihr heben werdet. Bin ich zufrieden, entlasse ich euch ins Paradies«, eröffnete er ihnen gleichgültig. »Verweigert ihr euch, seid ihr für alle Zeiten vernichtet.« Er beschrieb ihnen Zvatochna, die Kutsche, ihre Kleidung und sandte sie hinaus in die Nacht. »Sucht zuerst im Palast des Gouverneurs.«
    Die türkisfarbenen, für gewöhnliche Menschen unsichtbaren Lichter schwärmten aus. Sie wagten es nicht, sich ihm zu widersetzen.
    »Du bist noch immer ein Ungeheuer, Bardric«, sagte eine Stimme verächtlich hinter ihm. »Ich schwöre bei Ulldrael dem Gerechten, dass ich einen Weg finden werde, dich zu vernichten.«
    »Gut, dass du zurückgekehrt bist, Soscha«, begrüßte er sie teilnahmslos. »Wo warst du?«
    Sie umrundete ihn und schwebte vor seinem Gesicht. »Nicht bei dir, Bardric. Es geht dich nichts an.«
    »Es geht mich wirklich nichts an«, nickte er. »Du kannst gern versuchen, mich umzubringen, Soscha, es wäre nicht wirklich eine Strafe für mich. Doch zuerst«, seine Hand stieß so schnell vorwärts und in die Mitte der schimmernden
    Seele, dass Soscha keine Zeit blieb auszuweichen, »wirst du mir gegen meine Tochter beistehen!« Er gab ihr eine winzige
    Kostprobe seiner Fähigkeiten, und sie schrie in Agonie auf. Erst als ihr Licht flackerte und ganz zu verlöschen drohte, ließ er von ihr ab. »Verschwinde nie wieder ohne Erlaubnis von meiner Seite, Soscha. Oder kehre nicht mehr zurück und
    bete, dass wir uns danach nicht zufällig begegnen.«
    Sie fühlte, wie die Schwärze, die von ihr Besitz ergriffen hatte und sie ausfüllen wollte, von ihr wich. Der Schrecken machte der Freude, dem Leben Platz, das mit Macht aufflammte und sich wütend auf die Dunkelheit in ihrem Innern stürzte. »Du bist zu gefährlich, um zu existieren«, hauchte sie schmerzerfüllt. »Vintera muss den Verstand verloren haben, etwas wie dich zu erschaffen!«
    »Vintera wird eines Tages ihre Sichel gegen mich richten, sei unbesorgt«, erwiderte er. »Sie wird es nicht gern hören, dass du so von ihr sprichst.« Lodrik wandte sich von dem Fenster ab und zeigte in Richtung der Stadtmitte. »Wir gehen zum Turm der Kirche und warten dort oben, bis die Seelen von ihrer Suche zurückkehren. Danach kannst du zeigen, welche Wundertaten die Seele einer Magierin zu tun vermag.« Er ging los und wusste, dass sie ihm folgte. Die Furcht vor ihm saß zu tief. Es gab keine Steigerung zu dem, was er ihr hatte zuteil werden lassen.
    »Du denkst, es ist Zvatochna?«, sagte Soscha. »Etwas an der Aura kam mir bekannt vor. Du

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