Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)
viele Frauen
aus der ersten Kategorie insgeheim beklagten, daß sie nie in die zweite aufgestiegen waren.
Seine ernsteste Beziehung war die zu einer geschiedenen Frau aus San Antonio gewesen. Sie verkaufte Immobilien und war dabei sehr erfolgreich. Tate hatte ihren Erfolg geschätzt, sie aber nicht genug geliebt, um sie dazu zu bringen, ihm mehr Zeit und Aufmerksamkeit als ihren Geschäften zu widmen. Sie hatte von Anfang an klargemacht, daß sie keine Kinder wollte. Nach einer zweijährigen Liebschaft hatten sie sich als Freunde getrennt.
In ihrem Anwaltsbüro kümmerte sich hauptsächlich Jack um die Anstellungen und Entlassungen, aber als Carole Navarro sich beworben hatte, hatte er Tate um seine Meinung gefragt. Kein lebendiger Mann konnte bei Caroles Anblick ungerührt bleiben. Ihre großen, dunklen Augen hatten seine Aufmerksamkeit gefesselt, ihre Figur hatte seine Phantasie und ihr Lächeln sein Herz angerührt. Tate hatte sich einverstanden erklärt, und Jack hatte sie als Anwaltsgehilfin angestellt.
Schon bald darauf brach Tate seine eigenen Geschäftsprinzipien und lud sie zum Abendessen ein, um einen Fall zu feiern, der von der Jury zugunsten seines Klienten entschieden worden war. Sie war charmant und flirtete mit ihm, aber der Abend endete an der Tür ihrer Wohnung mit einem freundschaftlichen Händedruck.
Wochenlang gingen sie miteinander aus, ohne daß etwas geschah. Eines Abends nahm Tate sie in die Arme und küßte sie . Sie erwiderte seinen Kuß mit dankbarer Hingabe, und sie landeten auf ganz natürliche Art im Bett. Beide waren zutiefst befriedigt, nachdem sie miteinander geschlafen hatten.
Die Anwaltspraxis verlor eine Angestellte, und Tate gewann eine Frau.
Ihre Schwangerschaft wirkte wie ein Schock auf sie. Tate gewöhnte sich schnell und ohne weiteres an den Gedanken, früher als geplant ein Kind zu haben. Carole nicht. Sie beklagte sich, daß sie sich dieser Verantwortung noch nicht gewachsen fühlte. Ihr ansteckendes Lachen verstummte.
Ihr Verhältnis zum Sex war irgendwann nur noch von Pflichtbewußtsein geprägt, so daß Tate nicht viel vermißte, als sie ganz
damit aufhörten. Sie hatten schreckliche Auseinandersetzungen. Nichts, was er tat, gefiel ihr oder interessierte sie je. Schließlich gab er den Versuch auf und widmete seine Zeit und Energie der Wahl, die noch Jahre vor ihm lag.
Sobald Mandy auf der Welt war, konzentrierte sich Carole ganz darauf, ihre gute Figur zurückzubekommen. Tate fragte sich, warum sie sich so ehrgeizig damit beschäftigte. Dann wurde alles klar. Er wußte es fast bis auf den Tag genau, wann sie sich den ersten Liebhaber nahm. Sie machte kein Geheimnis daraus, auch nicht aus den folgenden Affären. Er schützte sich mit Desinteresse, was zu jener Zeit auch schon seiner Überzeugung entsprach. Rückwirkend betrachtet, wünschte er, er hätte sich damals schon von ihr scheiden lassen. Vielleicht wäre eine klare Trennung für alle besser gewesen.
Monatelang lebten sie im gleichen Haus ein völlig unterschiedliches Leben. Dann hatte sie ihn eines Nachts in seinem Zimmer besucht und dabei ungemein sexy ausgesehen. Er erfuhr nie, warum sie sich entschlossen hatte, zu kommen — wahrscheinlich aus Langeweile, vielleicht auch aus Trotz, oder weil es eine Herausforderung war, ihn zu verführen. Aber warum auch immer — sexuelle Abstinenz oder unvernünftig viel Alkohol beim abendlichen Kartenspiel mit seinem Bruder – er nahm ihr Angebot an.
Während der schwärzesten Zeiten ihrer Entfremdung dachte er auch daran, seine Affäre mit der Immobilienmaklerin wiederaufleben zu lassen oder eine ähnliche Beziehung einzugehen. Aber er versagte sich diesen Luxus. Ein Verhältnis war eine Fallgrube für jeden verheirateten Mann. Für einen Politiker war es ein unentrinnbarer Abgrund. Es bedeutete die Vernichtung der Karriere, wenn man hineinfiel und erwischt wurde.
Und ob man ihn nun erwischte oder nicht, ein Eid bedeutete ihm im Gegensatz zu seiner Frau etwas. Also war er Carole und den Worten, die er bei ihrer Trauung geschworen hatte, eisern treugeblieben.
Wochen nach jener Nacht verkündete sie wütend, daß sie schwanger sei. Obwohl Tate ernsthafte Zweifel hegte, daß das Kind von ihm war, mußte er ihre Behauptung als Faktum hinnehmen.
»Ich will mich nicht noch mal durch ein Kind so anbinden lassen«, schrie sie.
In diesem Augenblick wußte er, daß er sie schon seit einiger Zeit nicht mehr liebte und es auch nie wieder können würde. Zu diesem
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