TS 06: Das andere Universum
Keith Wintons töten.
Was dann? Wäre dann alles wie ein Spuk vorbei? Würde er auf Bordens Gut in Greeneville erwachen? Nein, nicht, wenn Mekky, das mechanische Gehirn, recht hatte. „Dies ist real. … Wenn Sie hier getötet werden …“
Eine Hand tastete sich in seine Hüfttasche und zog die Brieftasche heraus. Keith hielt den Atem an. Die Hand fuhr in seine seitliche Hosentasche; offenbar wollte sein Gastgeber erst die Suche beenden, ehe er die gefundenen Gegenstände einer näheren Betrachtung unterzog. Keith hörte auf zu überlegen und handelte.
Seine Finger schlossen sich um Wintons Handgelenk, er drehte sich und riß Winton zwischen sich und Slade. Über Wintons Schulter sah er, daß der W.B.I.-Mann zur Seite sprang, um einen sicheren Schuß anbringen zu können. Er bewegte sich so, daß Winton ihn weiter deckte.
Aus dem Augenwinkel sah er Wintons Faust heransausen und drehte den Kopf seitwärts, so daß der Hieb wirkungslos über seine Schulter zischte. Dann duckte er sich und schleuderte Winton mit aller Wucht, deren er fähig war, gegen Slade.
Der W.B.I.-Mann taumelte gegen den Bücherschrank; Glas klirrte, und die Automatik entlud sich donnernd. Keith riß Winton an den Jackenaufschlägen zu sich heran, während er mit dem Fuß nach oben trat. Er verfehlte die Automatik, aber sein Schuh traf Slades Handgelenk, und die Pistole entfiel ihm.
Sie schlug dumpf auf dem Teppich auf. Keith stieß Winton und mit ihm Slade zum zweiten Male gegen den schwankenden Bücherschrank und tauchte nach der Automatik. Er bekam sie in die Hand und sprang zurück. Er keuchte, seine Hand zitterte.
Es klopfte an die Tür.
Keith hob drohend die Waffe.
Winton und Slade erstarrten.
Eine Stimme fragte: „Ist Ihnen etwas passiert, Mr. Winton?“ Keith erkannte sie – es war Mrs. Flanderns, die in dem angrenzenden Apartment wohnte. Er versuchte, den Klang von Wintons Stimme möglichst täuschend nachzuahmen, während er rief: „Alles in Ordnung, Mrs. Flanders. Meine Pistole ging los, als ich sie reinigte. Der Rückschlag hat mich nur von den Beinen geworfen.“
Er stand still und wartete, er wußte, daß sie sich fragen würde, warum er die Tür nicht öffnete. Winton blickte verblüfft; zweifellos hätte er gern gewußt, woher er Mrs. Flanders’ Namen kannte.
Einige Sekunden war Stille, dann kam Mrs. Flanders’ Stimme wieder: „Wissen Sie, Mr. Winton, ich dachte nur –“
Er überlegte, ob er vorschützen sollte, nicht bekleidet zu sein und deshalb die Tür nicht öffnen zu können, unterließ es aber. Er hörte, wie sie in ihre Wohnung zurückging, und die Langsamkeit ihrer Schritte sagte ihm, daß sie nicht wußte, was sie tun sollte. Hoffentlich rief sie – oder ein anderer Mieter, den der Schuß aufgeschreckt hatte – nicht gleich die Polizei an.
„Umdrehen“, schnappte er, und seine Stimme klang nicht weniger grimmig und tödlich als die Slades zuvor. Er trat hinter sie, als sie ihm den Rücken zuwandten, und preßte den Lauf der Automatik in den Körper des W.B.I.-Mannes, vor dem er wesentlich mehr Respekt hatte als vor Winton. Mit der linken Hand griff er in Slades Hüfttaschen und fand, was er suchte – ein Paar Handschellen. Er zog sie heraus und trat zurück.
„Treten Sie zu dem Pfeiler dort drüben in dem Bogengang“, befahl er. „Winton, greifen Sie hindurch. Fesseln Sie sich jetzt aneinander. Halt – Slade, werfen Sie mir zuerst Ihre Schlüssel herüber.“
Er verfolgte aufmerksam ihre Bewegungen, bis die Handschellen zweimal klickten.
Während er zur Tür glitt, steckte er die entsicherte Pistole in die Tasche, behielt aber den Finger am Abzug. Er blickte zu den Gefangenen zurück und fragte sich, ob er ihnen befehlen sollte, keinen Laut von sich zu geben, hielt sich aber nicht damit auf. Sie würden doch nicht gehorchen.
Sie schrien bereits, als er kaum die Tür ins Schloß gezogen hatte. Rechts und links flogen Türen auf, aber obgleich er rasch ging, fiel er nicht in Laufschritt. Niemand würde wagen, ihn aufzuhalten; man würde höchstens die Polizei verständigen.
Er war bereits einen Block entfernt, als er die ersten Sirenen vernahm. Er verlangsamte sein Tempo noch mehr, bog jedoch an der nächsten Ecke von der Gresham Street ab. Ein Streifenwagen raste an ihm vorüber, aber er beachtete ihn kaum. Seine Beschreibung würden sie erst in fünf oder zehn Minuten haben, und in dieser Zeit konnte er sich schon auf der Fünften Avenue befinden. In der Menge war es unmöglich, ihn
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