TS 19: Weltraumpest
Die Infektion hatte jetzt auch schon den kleinen Finger und den Mittelfinger ergriffen. Die Schmerzen kamen in Intervallen, und ich wußte, daß sie mich in wenigen Stunden übermannen würden.
Miß Farrow benachrichtigte ihren Bruder James, und er kam sofort aus der Stadt zu uns heraus. Wir alle fertigten einen kleinen, provisorischen Manipulator für meine Hand an. Gloria holte anschließend vom Boden einen großen Kasten mit Instrumenten, die sie sich im Laufe der Zeit für persönliche Zwecke angeschafft hatte.
Nachdem meine Hand die nächste Phase der Infektion durchlaufen hatte, teilte mir die Schwester mit, daß es nun an der Zeit sei, die volle Behandlung vorzunehmen.
Eines Abends ging ich zu Bett, um vier volle Monate darin zuzubringen.
Wie gern würde ich in allen Einzelheiten eine Beschreibung jener vier Monate geben. Aber ich war die meiste Zeit bewußtlos, so daß ich nicht sehr viel berichten kann. Es war alles andere als schön. Mein Arm lag wie ein gefällter Baum in den Apparat geschnallt, der die Glieder rhythmisch bewegte, und mit jeder Bewegung lief ein feuriger Schmerz, der mich bald in Stücke zerriß, bis zur Schulter hinauf. Nadeln steckten in der Armbeuge und in der Armhöhle, und Blutplasma wurde hineingepumpt, um ein Absterben des Armes zu verhindern, der jetzt bereits völlig aus Mekstromschem Fleisch bestand und daher vom Herzen nicht mehr normal durchblutet werden konnte.
Vollkommen hilflos kam es mir vage zum Bewußtsein, daß ich besser nicht umsorgt sein konnte. Die Intervalle zwischen Bewußtlosigkeit und Erwachen wurden jetzt immer kürzer. Als ich wieder einmal zu mir kam, war mein Hals gelähmt, und das nächste Mal waren es mein Kinn, meine Zunge und mein Gesicht. Später wurde ich taub, und ein anderes Mal wieder erwachte ich, um mich in einem fahrbaren Wiederbelebungsapparat geschnallt zu finden, der mit unerbittlicher Kraft meine Brust hob und senkte.
Das ist alles, was ich weiß. Als der Nebel sich langsam zerteilte und der Schleier endgültig von meinen Augen wich, war es draußen Frühling – und ich ein Mekstrom.
*
Ich richtete mich im Bett auf.
Es war Morgen. Die Sonne strahlte hell durch das Fenster, und ein leichtes Frühlingslüftchen bewegte sanft die Vorhänge. Es war warm, und der Duft, der hereinstrich, würzig und gut. Das Leben war doch schön!
Die Flaschen, Instrumente und Gummischläuche waren verschwunden, der grausame Manipulator weggeräumt. Nicht einmal ein Fieberthermometer war mehr zu sehen, und nichts erinnerte mich mehr an die qualvolle Zeit. Und ich war so glücklich, wieder leben zu dürfen! Ich wollte aufstehen und hinauslaufen.
Ich esperte den Kleiderschrank und entdeckte meine Sachen. Anschließend vergewisserte ich mich, ob das Badezimmer frei war.
Ich wollte mich rasieren, duschen, mich anziehen und dann hinuntergehen. Gerade hatte ich mich auf die Bettkante gesetzt, als Nurse Farrow die Treppe heraufgelaufen kam und ohne anzuklopfen in mein Zimmer trat.
„Hallo!“ begrüßte ich sie freudig. „Gerade wollte ich …“
„Uns überraschen“, sagte sie schnell. „Ich weiß. Deshalb kam ich zu Ihnen, um Ihnen Schwierigkeiten zu ersparen.“
„Schwierigkeiten?“ fragte ich.
„Sie sind jetzt ein Mekstrom, Steve“, erklärte sie mir unnötigerweise. Dann, als sie meine Gedanken gelesen hatte, fuhr sie fort: „Es ist sehr wohl nötig, Sie daran zu erinnern. Sie müssen jetzt erst lernen, mit Ihrer neuen Kraft umzugehen, Steve!“
Ich bewegte versuchsweise meine Arme. Alles schien normal. Ich kniff mich in den Oberarm, meine Haut fühlte sich genauso an wie früher; jedenfalls konnte ich keinen Unterschied feststellen. Ich holte tief Atem, aber die Luft strömte genauso ein und aus wie immer.
„Ich kann keinen Unterschied herausfinden“, sagte ich zu Miß Farrow.
Sie lächelte und gab mir einen Bleistift in die Hand. „Schreiben Sie Ihren Namen“, wies sie mich an.
„Glauben Sie denn, ich hätte inzwischen das Schreiben verlernt?“ grinste ich. Dann nahm ich den Bleistift, faßte ihn absichtlich ungeschickt wie ein ABC-Schütze, setzte ihn auf ein Stück Papier und lachte dabei Miß Farrow zu. „Nun, jetzt wollen wir einmal sehen; mein Anfangsbuchstabe ist ,S’,“ begann ich, „man fängt oben an, macht eine Kurve …“
Aber ich kam gar nicht bis zur Kurve. Die Bleistiftspitze durchbohrte das Papier und brach ab. Die Tatsache, daß ich keine Kontrolle über meine Reflexe hatte, ärgerte und beunruhigte
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