TS 22: Terminus, der letzte Planet
Beweis gestellt, wenn er auch noch keine sechzehn Jahre alt war. Er hatte seinen ersten Nyak erlegt, als er kaum dreizehn war, er hatte seinen zehnten abgeschossen, als er den Thron bestieg, und heute kam er von seinem sechsundvierzigsten zurück.
„Fünfzig, bevor ich mündig werde“, hatte er ausgerufen. „Wer will dagegen wetten?“
Aber Höflinge wetten nicht mit ihrem König. Die Gefahr zu gewinnen ist tödlich. Und so wettete keiner, und der König ging gutgelaunt weg, um sich umzukleiden.
„Lepold!“
Der König blieb stehen und drehte sich langsam nach der einen Stimme um, die ihm Befehle erteilen konnte.
Wienis stand auf der Schwelle und winkte seinem jungen Neffen zu.
„Schick’ sie weg“, sagte er ungeduldig.
Der König nickte kurz, und die beiden Höflinge verbeugten sich und gingen rückwärts die Treppe hinunter. Lepold betrat das Gemach seines Onkels.
Wienis sah den Jagdanzug des Königs mürrisch an. „Du wirst dich bald um wichtigere Dinge kümmern müssen als um die Nyakjagd.“
Lepold kannte die Abneigung seines Onkels gegen diesen gefahrvollen Sport und begann deshalb boshaft seine Erlebnisse in glühenden Farben zu schildern. „Aber heute hättest du bei uns sein sollen, Onkel. Wir haben über der Samiawüste einen gestellt. Wir brauchten mindestens zwei Stunden und haben mindestens siebzig Quadratmeilen überflogen. Und dann stieg ich in Richtung Sonne auf –“ er deutete mit den Händen, als säße er am Steuer seines Flitzers – „und stürzte dann in einer Schraubdrehung auf ihn. Beim Aufsteigen erwischte ich ihn mit Viertelkraft unter der rechten Schwinge. Das ärgerte ihn, und er griff schräg an. Ich zog nach links durch und wartete, bis er sich fallen ließ. Das machte er natürlich auch. Ich wartete, bis er in Flügelnähe war und dann …“
„Lepold!“
„Nun – ich habe ihn erwischt.“
„Das kann ich mir denken. Willst du jetzt endlich aufpassen?“
Der König zuckte die Achseln und ließ sich am Tisch nieder, wo er ganz unköniglich an einer Leranuß knabberte. Er wagte nicht, seinem Onkel in die Augen zu sehen.
Wienis sagte, wie um einzuleiten: „Ich war heute beim Schiff.“
„Bei welchem Schiff?“
„Es gibt nur ein Schiff. Das Schiff. Das Schiff, das die Stiftung für unsere Flotte instandsetzt. Der alte Reichskreuzer. Drücke ich mich klar genug aus?“
„Ach, das meinst du? Siehst du, ich habe dir gleich gesägt, daß die Stiftung es reparieren würde, wenn wir sie darum bitten. Das ist Unsinn, weißt du, diese Ansicht, daß sie uns angreifen wollen. Denn wenn sie das wollten, würden sie doch das Schiff nicht reparieren. Das hätte doch keinen Sinn.“
„Lepold, du bist ein Narr.“
Der König, der gerade die Schale einer Leranuß weglegte und nach einer anderen griff, lief rot an.
„Nun hör’ mal“, sagte er ärgerlich. „Ich glaube nicht, daß du mich so nennen solltest. Du vergißt dich. Weißt du, in zwei Monaten werde ich ja schließlich volljährig sein.“
„Ja, aber bist du auch in der Lage, die Verantwortung eines Königs zu übernehmen? Wenn du nur die Hälfte der Zeit, die du mit Nyakjagden verbringst, wichtigeren Dingen widmen würdest, könnte ich dir die Regentschaft mit reinem Gewissen abtreten.“
„Das ist mir egal. Das hat damit gar nichts zu tun. Worauf es mir ankommt, ist, daß du mein Untertan bist, auch wenn du Regent und mein Onkel bist. Ich bin immerhin König. Du solltest mich nicht Narr nennen und solltest auch in meiner Gegenwart nicht sitzen. Du hast mich nicht um Erlaubnis gefragt. Ich finde, du solltest etwas vorsichtiger sein, oder ich werde dagegen etwas unternehmen – und zwar ziemlich bald.“
Wienis’ Blick war eisig. „Darf ich dich ,Eure Majestät’ nennen?“
„Ja.“
„Nun gut! Sie sind ein Narr, Eure Majestät!“
Seine dunklen Augen blitzten unter den ergrauten Brauen, und Her junge König setzte sich langsam. Einen Augenblick lang leuchtete eine grimmige Befriedigung in dem Gesicht des Regenten, die aber schnell wieder nachließ. Seine dicken Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, und er schlug dem König auf die Schulter.
„Tut mir leid, Lepold! Ich hätte es nicht sagen sollen. Aber weißt du, es ist manchmal schwierig, sich ganz nach der Etikette zu benehmen, wenn die Lage so ist – nun, du weißt schon.“ Aber wenn seine Worte auch versöhnlich klangen, so war doch etwas in seinen Augen, was ganz und gar nicht versöhnlich aussah.
Lepold meinte unsicher:
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