TS 46: Die Marskolonie
vortreten und das Ohr gegen die Wand neben dem Bett legen. Dann winkte er dem Kommandanten.
„Hören Sie es?“
„Was soll ich hören?“
„Die Vibration – ich möchte wetten, es stammt von der Zentrifuge. Stellen Sie die Maschine ab, dann werden wir es wissen.“
Haslow eilte davon. Der Arzt bereitete eine Injektion mit Morphium vor, und als der Kommandant zurückkehrte, schlief Devine bereits.
„Ich habe die Zentrifuge ausgeschaltet. Glauben Sie, daß sie die Ursache war?“
„Möglich.“ Landry legte das Ohr gegen die Wand und nickte. „Ja, nun hat die Vibration aufgehört. Ist es möglich, daß wir Devine verlegen? Ich würde einen Ort vorziehen, an dem es kein Metall gibt.“
„Die alte Krankenstation“, schlug Haslow vor. „Ich werde dafür sorgen, daß ein Bett vorbereitet wird.“
„Es eilt nicht, wenn die Zentrifuge ausgeschaltet bleibt, aber ich möchte doch, daß eine Schwester sich um ihn kümmert. Später, wenn er verlegt worden und wieder bei Bewußtsein ist, werde ich ihn aufsuchen.“
Er wartete, bis Haslow einem Manne, den sie auf der Straße trafen, einige Anweisungen gegeben hatte, dann kehrten sie gemeinsam in das Verwaltungsgebäude zurück. Haslow brummte vor «ich hin, als sie sein Zimmer betraten und holte sogleich zwei Gläser und die Flasche.
„Was ist eigentlich mit Devine los?“ fragte er, als sie saßen.
„Fieber. Delirium.“ Landry zuckte die Achseln. „Ich kenne die Ursache nicht, aber auf keinen Fall eine Infektion.“
„Fast unmöglich“, stimmte der Kommandant zu. „Mars ist der sterilste Ort, den ich kenne. Ich möchte nur wissen, warum er annimmt, die Wände sprächen zu ihm.“
„Warum sollte er nicht? Wir wissen, daß Metall Schwingungen sehr gut weiterleitet. Derartige Vibrationen können für einen Mann im Delirium allerhand bedeuten.“ Er betrachtete sinnend seine ausgestreckten Füße. „Was mich beschäftigt, ist die Frage, warum Devine sich als einen Narren betrachtet.“
„Dafür weiß ich eine einfache Erklärung, Landry. Es gibt auf dem Mars nicht einen einzigen Mann, der sich nicht schon einen Narren geschimpft hätte. Deswegen einen Narren, weil er hierherkam.“
„Sie auch?“
„Oft genug. Wenn die Erregung des neuen Erlebnisses erst einmal abflaut, kommt jedem von uns zu Bewußtsein, welcher Idiot er doch gewesen ist, zum Mars zu fliegen.“ Er hob die Schultern. „Wir sind alle Narren, ohne Ausnahme.“
„Warum bleiben Sie dann?“
„Ich könnte zur Erde zurück, zugegeben. Als Kommandant habe ich das Recht, die anderen nicht. Die müssen hierbleiben, bis sie sterben. Aus diesem Grund haben wir unsere Probleme unter allen Umständen zu lösen.“ Plötzlich lachte er laut auf. „Wissen Sie, was ich am meisten vermisse? Sie werden es nicht glauben und mich auslachen, aber es ist die Wahrheit. Ich gäbe alles für einen herrlichen, frischen Salat mit Pfeffer und Paprika, Radieschen und Zwiebeln. Komisch, was?“
„Nein, gar nicht.“ Landry sah den Kommandanten an. „Und obwohl Sie so denken, versuchen Sie, mich zum Hierbleiben zu bewegen?“
„Ja, Doc“, nickte Haslow langsam. „Ich bin so egoistisch.“
*
Devine lächelte Landry entgegen, als dieser sein Zimmer betrat. Er war noch blaß, aber aus seinen Augen war der flackernde Irrsinn verschwunden.
„Hallo, Doc“, winkte er mit der Hand. „Sie haben mir das Leben gerettet.“
„Sie wären auch ohne meine Hilfe durchgekommen“, wehrte Landry ab. „Es war ein leichtes Fieber. Wie geht es Ihnen jetzt?“
„Ausgezeichnet. Keine Alpträume mehr seit Tagen.“
„Ich möchte mit Ihnen darüber sprechen. Kann ich mich auf Ihr Bett setzen?“
„Aber natürlich.“
„Danke.“ Landry setzte sich und fühlte gleichzeitig nach dem Puls des Patienten. „Nur noch ein paar Tage, und Sie können wieder an Ihre Arbeit gehen. Sagen Sie, warum haben Sie sich einen Narren genannt?“
„Habe ich das?“
„Einen dummen Narren, um genau zu sein. Warum?“
„Ich kann das nicht glauben.“
„Es stimmt, glauben Sie mir. Sie sind über den Gedanken fast verrückt geworden.“
„Einen Narren!? Ja, ich erinnere mich. Jemand hat zu mir gesprochen und mir eingeredet, ich sei ein Narr.“
„Das waren die Schwingungen der Zentrifuge. In Wirklichkeit sprachen Sie zu sich selbst. Es waren Ihre eigenen Gedanken.“
„Und ich nannte mich somit einen Narren?“
„Ja. Eine andere Frage: wo wurden Sie krank?“
„Bei der Arbeit. Ich versuche, eine
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