TS 82: Geheimagentin der Erde
drinnen. Offenbar hatten auch die Wachen hoch auf Saikmar gewettet und wünschten ihm das Beste.
Wenn nun seine Anspielung auf den Roten Sloin auch so einschlug – und dabei wußte er nicht einmal, wer dieser Rote Sloin jemals gewesen sein mochte – dann würde er sein großes Spiel gewinnen!
*
Inzwischen starrte Saikmar fassungslos den Eindringling an. Der sah nach seinen Begriffen alt aus! Jedenfalls alt für einen Königskämpfer. Obendrein noch körperlich schwer und klobig. Man konnte sich kaum vorstellen, wie ein solcher Mann ein Segelflugzeug in den Smoking Hills lenken wollte. Wenn er es nicht machen wollte wie der Rote Sloin, der sich zusammen mit dem König in den Krater gestürzt hatte – wie konnte er hoffen, den König zu besiegen? Saikmar gab sich selbst nur eine kleine Chance, und er hatte seit seinem fünfzehnten Lebensjahr fast täglich trainiert.
Dabei sah dieser Belfeor gar nicht wie ein Mann aus, der zum Tode bereit war.
Hinter Saikmar war Lärm. Luchan, sein Vorgänger vom vorigen Jahr, der nach einem Flügelschlag des Königs abgestürzt war und seither nur ein Bein und ein Auge besaß, deutete erregt auf Sir Bavis.
„Dahinter stecken Sie!“ rief er. „Das ist ein Trick von Ihnen, um die Macht in den Händen zu behalten!“
Wieder lärmten überall die Stimmen. Auch bei den anderen Stämmen erhoben sich Ankläger, Beleidigungen wurden laut. Plötzlich konnte Saikmar es nicht länger aushalten.
Er war der Champion unter den Kandidaten, und dies beschämende Schauspiel drückte ihm das Herz ab. Er rief stürmisch:
„Habt ihr alle den Verstand verloren? Seht euch doch diesen Belfeor an! Wie kann der einen Segler fliegen? Was kann der gegen den König ausrichten?“
Es wurde still. Alle blickten Belfeor abwägend an.
„Würdet ihr an Stelle von Sir Bavis einen solchen Mann aussuchen, wenn ihr damit einen besonderen Plan verfolgtet? Ich habe keine Ahnung, was ihn hierhertreibt. Offenbar hat er von der ganzen Sache keine Ahnung und sucht nur durch ein Abenteuer zur Macht zu kommen. Laßt ihn doch! Und wenn er sich mit dem Roten Sloin vergleicht – soll er! Wenn er wirklich so gut ist, muß er es beweisen, wenn nicht, dann wird er nicht lange leben. Warum sollen wir ihn hindern, sich das Genick zu brechen, wenn er durchaus will?“
Schweratmend setzte sich Saikmar. Er wunderte sich über sich selbst. Seine Mutter flüsterte ihm ein paar anerkennende Worte ins Ohr. Von links rief eine Stimme:
„Aber das ist gegen die Sitten!“
Sir Bavis schien sich gefaßt zu haben und sprach mit der gewohnten Autorität:
„Es ist vielleicht gegen die Gewohnheiten, aber nicht gegen das Gesetz. Saikmar, Corries Sohn, hat wahr gesprochen. Ich habe diesen Belfeor bereits gesehen, als er mit Heron hierherkam, um sich das Bürgerrecht geben zu lassen. Darüber hinaus kenne ich ihn nicht und weiß nichts von ihm.“
Bisher hatte sich Belfeor in die Debatte nicht eingemischt. Er stand in der gleichen herausfordernden Haltung da, die Daumen in den Gürtel gehakt. Jetzt rief er:
„Ich bin also zugelassen?“
Sir Bavis antwortete:
„Es ist gegen meinen Willen, gegen den Willen von uns allen. Aber es muß so geschehen, und deshalb sind Sie angenommen.“
„In Ordnung“, sagte Belfeor und wandte sich mit einem Grinsen an die Umstehenden: „Ich bin übrigens keiner, der sein Leben so leichtsinnig aufs Spiel setzt. In ein, zwei Tagen werden wir sehen, wer hier zuletzt lacht.“
4.
Das war nicht bloß ein Verrückter, sondern obendrein auch noch ein Ungläubiger! Eine Chance konnte er nicht haben. Saikmar saß Stunden später in der dunklen Seitenkapelle des Tempels und dachte immer noch über Belfeors Worte nach. Es gehörte zum Brauch, daß die Kandidaten in der letzten Nacht im Tempel Wache hielten, wo die Symbole ihrer Stämme und die Statuen der Schutzgötter standen.
Belfeor gehörte zu keinem Stamm. Im Tempel hatte er zu den Priestern laut gesagt: „Ist mir ganz gleich, wo ich sitze. Hauptsache, es ist halbwegs bequem.“
Aus seinem steinernen Sessel blickte Saikmar auf die Götterbilder. Wenn Belfeor bei der Königsjagd umkam, so war das der Lohn für sein Benehmen im Tempel. Doch wenn er nicht umkam … wo war dann die Gerechtigkeit der Götter?
Er schob diesen ketzerischen Gedanken von sich. Er versuchte sich darauf zu konzentrieren, über das Symbol seines Stammes und die Götter nachzudenken. Doch Gedanken lassen sich nicht einfach beiseite schieben, wenn sie einmal
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