TS 82: Geheimagentin der Erde
eigenen Stammes, die das stolze Wappen der Priesterkaste trugen, ein stilisiertes, doppelflügeliges Parradil, das sie als ihren Vetter bezeichneten. Sie grüßten ihn mit einer steifen Verbeugung, als sie ihn erkannten.
Im Westen war der rote Kreis der Sonnenscheibe schon durch den Dunst und die Dämpfe von den Smoking Hills verzerrt, und ein sonderbarer Geruch kam von den Bergen …
Nein! Dieser Brandgeruch mußte eine näher liegende Quelle haben. Er blickte über die Stadt hin und entdeckte eine kleine Rauchwolke, die von einem brennenden Hause stammen mußte. Zum Glück lag die Brandstelle nicht weit vom Fluß, so daß man wohl genügend Wasser zum Löschen bei der Hand haben würde. Das Haus selbst war freilich wohl nicht mehr zu retten, wenn man das Feuer nach der Große der Rauchwolke beurteilte.
Sir Bavis rief einen jungen Diener herbei und zeigte hinunter: „Was siehst du da? Erkennen deine jungen Augen, wessen Haus dort brennt?“
Der Junge zögerte. „Ich würde sagen, das Haus von Trader Heron“, meinte er. „Aber in dem Rauch kann ich es nicht genau ausmachen.“
Gerade Heron? Sir Bavis schüttelte verwundert den Kopf. Sicher hatte ein Diener den Brand verursacht, denn Heron war ein vorsichtiger Mann.
Er hob den Kopf und sah, daß soeben der Abendstern wie ein Juwel von reinstem Wasser am Abendhimmel aufgetaucht war: Sofort hatte er alles andere vergessen. Er hob sein Zepter, deutete auf den Stern und sprach die zeremoniellen Worte:
„Morgen erlaubt es das Gesetz, den König zu töten!“
3.
Als Saikmar, Corries Sohn aus dem Stamm Twywit, den großen Audienzsaal betrat, war er wie in einem Traum. Er meinte, sein eigenes Blut in seinen Adern brausen zu hören, er sah seinen eigenen Bewegungen zu wie ein Trunkener, dessen Körper gelähmt ist, während der Geist wach blieb. Aber bei ihm war es nicht Trunkenheit, sondern nur ein Zustand höchster Erregung.
Um ihn standen seine Mutter, sein Onkel, der seit dem Tode seines Vaters für ihn gesorgt hatte, seine Schwester, seine Vettern und Basen bis zum vierten und fünften Grad, und alle waren stolz auf ihn. Als er an ihnen vorbei zu seinem Sitz in der ersten Reihe ging, schlugen sie ihm auf die Schulter und riefen ihm ermutigende Worte zu. Aber er war nicht eitel. Er erlebte das alles nur halb. Zur anderen Hälfte war er schon draußen in den Smoking Hills, schoß mit seinem zerbrechlichen Segelflugzeug durch die Luftwirbel der Krater.
Er merkte, daß alle Augen auf ihn gerichtet waren, doch er kümmerte sich nicht darum. Er war so groß wie ein ausgewachsener Mann, aber ungewöhnlich schlank. Er sehe wie ein Vogel aus, sagten die Leute. Vor ein paar Jahren hätte noch kein Mensch an ihn als einen Königs-Kandidaten gedacht, denn er verbrachte seine Zeit mit Tanzen, Singen, mit Studium und indem er sich von seinen Genossen absonderte und auf hohe Bäume kletterte. Jetzt war er achtzehn. Er hatte seine Geschicklichkeit als Tänzer auf die empfindlichen Bewegungen des Segelflugzeugs übertragen, und die blitzschnellen Reaktionen seiner Nerven machten ihn zum Meister dieser Kunst.
Neben ihm nahmen seine Mutter und sein Onkel, Sir Malan Corrie, Oberhaupt des Stammes, Platz. Sir Malan hinkte infolge einer Beinverletzung ein wenig. Die Mutter wurde schon altersgrau, hielt sich jedoch wie eine Königin.
Nun erschien Sir Bavis, umringt von seinen Hilfspriestern und Dienern, im Glanz seiner prunkvollen Kleidung. Saikmar blickte in sein bärtiges Gesicht. Konnte es wahr sein, daß das Oberhaupt des vornehmsten Stammes jahrelang die Königsjäger betäubt hatte, wie manche Leute behaupteten? Nein, das war unglaublich. Diese Stimme, die wie eine Glocke klang, rief nun in den alten Sprüchen der Zeremonie die Götter an.
Danach wurden die Kämpfer gegen den König aufgerufen. Saikmar fühlte, wie ihm das Herz im Halse schlug. Als er aufstand, um dem Amtsschreiber seinen Namen anzusagen, sah er sich nach dem nächsten seiner Rivalen um. Natürlich waren die Kämpfer schon vor Wochen bestimmt worden. Es war eine Formsache, daß die Benennung jetzt vor den Amtsschreibern wiederholt werden mußte.
Nach den Überlieferungen war das Zeremoniell in früheren Zeiten weniger streng gewesen. Die Kämpfer brauchten damals nicht einem der vornehmen Stämme anzugehören, man hatte sogar Kandidaten zugelassen, die gar nicht aus Carrig stammten. Red Sloin, von dem die Ballade erzählte, war der berühmteste von ihnen.
Als Saikmar seine Meldung abgab,
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