TS 82: Geheimagentin der Erde
kommandierte er. „Raus mit euch.“
„Graddo! Gib sie uns raus!“ rief hinten eine wütende Stimme. „Und wenn sie nicht wollen, dann werden wir ihnen gleich Beine machen!“
„Mach ich schon!“
Er trat einen Schritt auf Saikmar zu und wollte ihn am Arm packen. Was dann kam, konnte Saikmar nicht sehen, weil er sich duckte, um den Angreifer zu unterlaufen. Aber dieser Graddo war plötzlich nicht mehr da. Das heißt, er lag auf dem Rücken, machte ein fassungsloses Gesicht, und das Mädchen Melisma stand über ihm.
„So, die wollen es durchaus mit Gewalt besorgt bekommen“, rief einer an der Tür, der trotz der mageren Wochen noch sehr kräftig aussah, und stürmte mit einem Knüppel herein. Zugleich versuchte Graddo fluchend, wieder auf die Beine zu kommen. Saikmar hoffte, daß das außergewöhnliche Mädchen mit Graddo noch für einen Moment fertig werden würde. Er wich dem Schlag des Mannes mit dem Knüppel blitzschnell aus. Der Schlag ging ins Leere – und der Mann stolperte über Graddo, der in diesem Moment zum zweiten Male zu Boden ging. Der Mann mit dem Knüppel krachte mit dem Kopf gegen die Metallwand; die ganze Kabine dröhnte.
Saikmar wartete nicht, bis der Bursche sich gefaßt hatte, sondern schmetterte ihn zum zweiten Male gegen die Wand. Dann wirbelte er gegen einen neuen Angreifer an der Tür herum. Er täuschte einen direkten Angriff vor, warf sich aber im letzten Moment zur Seite. Der Mann schoß an ihn vorbei, und das Mädchen fing ihn mit einer Hand am Handgelenk ab und setzte die andere Hand als Hebel hinter seinen Ellenbogen. Der Mann brüllte wie am Spieß. Stöhnend fiel er auf eine Koje. Als er es versuchte, sich aufzurichten, konnte er den Arm vor Schmerzen nicht bewegen.
Meine Güte, dachte Saikmar, man konnte sich schon vorstellen, daß so ein Weib sich im Nest eines Parradils zu Hause fühlte.
Graddo schien noch nicht genug zu haben, er kam abermals hoch. Diesmal verlor Melisma die Geduld und setzte ihm einen Fuß in den Magen. Sie trat nicht richtig zu, aber es genügte, um Graddo aufstöhnend zusammenklappen zu lassen.
Der Mann mit dem verrenkten Ellenbogen schrie wieder auf, und das schien den Mut der anderen vor der Tür wesentlich abzukühlen. Keiner hatte jetzt mehr Lust, dasselbe zu erleben wie Graddo. Außerdem war mit den drei Ausgeschalteten und den beiden Siegern die Kabine ohnehin voll.
Plötzlich aber machte sich hinter den Flüchtlingen eine scharfe Kommandostimme bemerkbar. Bestürzt machten die Leute Platz. Einige senkten die Köpfe, als Nyloo erschien, andere blickten finster drein.
Die alte Priesterin blickte in die Kabine und begriff sofort. An ihrem Arm hing ein zehnjähriges Mädchen mit einem unnatürlich weisen Gesichtsausdruck.
Die Alte fragte das Kind:
„Du sagst, Graddo hätte mit der Schlägerei angefangen?“
Das Kind nickte.
„Graddo!“ Die Stimme der Alten war hart wie ein Eisblock. Der gekrümmt am Boden liegende Mann blickte unschlüssig auf.
„Du hast das Heiligtum verletzt. Du bist ausgestoßen. Du wirst in die Winternacht hinausgetrieben, und dein Name sei verflucht!“
Graddo wurde leichenblaß, wie erstarrt blieb er liegen. Ein unterdrücktes Stöhnen ging durch die Reihen der Flüchtlinge, als sie dieses furchtbare Urteil hörten.
Saikmar wischte sich erleichtert über die Stirn. Das war eine gründliche Lektion! Er war überrascht, als er Melisma fragen hörte:
„Was soll mit ihm geschehen?“
Nyloo blickte sie an:
„Er wird in den Winter hinausgetrieben, und soll leben oder sterben, wie die Götter es beschließen.“
„Nicht meinetwegen“, sagte Melisma. „In meinem Namen soll das nicht geschehen.“
„Es wird geschehen, weil er dich angegriffen hat“, erwiderte die Alte kurz. „Hier hat niemand zu beurteilen, was recht und unrecht ist, wir allein, die Priester, haben das Recht dazu. Graddo, zum letzten Male wird dein Name hier ausgesprochen. Er ist verdammt. Geh jetzt.“
Benommen stand Graddo auf und stolperte zur Kabinentür. Die anderen wichen vor ihm zurück, als ob er eine ansteckende Krankheit habe. Nach einem letzten Rundblick folgte Nyloo mit dem Kind. Auch die anderen beiden Angreifer verschwanden, möglichst unauffällig und erleichtert, daß sie dem Zorn der Alten entgangen waren.
Melisma wollte hinterdrein, aber Saikmar hielt sie am Arm fest:
„Was mischen Sie sich ein? Er wollte dasselbe ja auch mit uns tun.“
Sie antwortete nicht und schüttelte nur den Kopf. Sie trat in den Raum
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