TTB 118: Die schlafende Welt
Rierson hatte das ungewisse Gefühl, daß sich dieser Zustand sehr schnell ändern konnte. Es lag also an ihm, den Giganten ständig in Bewegung zu halten und am genauen Zielen zu hindern. Und das war eine wirklich gigantische Aufgabe, und sie war völlig unmöglich, wenn sich der Moskito nicht genauer über seinen Gegner informierte.
Was wußte er eigentlich? Er wußte, daß wahrscheinlich der ganze Planet schlief und daß die Llralaner damit zu tun haben mußten. Aus dem belauschten Gespräch an der Treppe ging hervor, daß ihn einige Llralaner mit abergläubischer Furcht betrachteten, und daß zumindest ein Llralaner vor Schreck beinahe ohnmächtig geworden war, weil er sich vor jemandem namens Großatter entsetzlich fürchtete, vor einem Wesen, das nicht mehr sterben konnte, weil es bereits tot war.
Das war ein vielversprechender Hinweis. Ein gewöhnlicher Moskito mochte zwar eine Plage sein, würde aber niemanden besonders aufregen. Doch wenn es sich plötzlich um eine Art Geister-Moskito handelte …? Das könnte seinen Plänen gewaltigen Auftrieb verleihen. Niemand – schon gar nicht ein Llralaner! – nimmt es gern mit dem Übernatürlichen auf.
Das war eine Möglichkeit. Doch woher sollte er mehr Informationen erhalten? Er hatte seinen unfreiwilligen Chauffeur zur Hand, der in einer Gefängniszelle verwahrt war. Doch er würde die benötigten Antworten bestimmt nicht erhalten, wenn er nicht Mittel und Wege fand, den Llralaner von gewissen Dingen zu überzeugen, die nicht im Gesetzbuch standen.
Er zog sein Jagdmesser und inspizierte die Klinge, die lang und rasiermesserscharf war. Doch was konnte ihm das nützen? Er hielt die Klinge hoch, die die Strahlen der hochstehenden Mittagssonne reflektierte. Er mußte die Augen schließen.
Plötzlich hatte er es. Wenn Livar einen Geist erwartete, warum sollte er ihn dann enttäuschen? Wenn er sich in den Klauen des schrecklichen Großatters wähnte, warum sollte er dem armen Narren die Illusion rauben? Warum nicht die Vermutungen des Gefangenen nähren, ihm etwas Furchterregendes vorspielen?
Je mehr er darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm der Gedanke. Aber zuerst mußte er sich etwas zu essen beschaffen. Und Munition.
*
Er konnte sich nicht bewegen; seine Arme waren angebunden, seine Beine waren mit dem eigenen Gürtel an den Stuhl geschnallt. Stirn und Hals wurden von Stoffstreifen festgehalten. Er verspürte keinen wirklichen Schmerz. Doch daß er sich nicht bewegen konnte, drohte ihn über den Rand des Wahnsinns zu treiben.
Um ihn war Dunkelheit. Seine weitaufgerissenen Augen starrten auf den winzigen gelben Lichtpunkt vor ihm. Dahinter sprach eine langsame, zögernde Stimme mit schwerem Akzent:
»Jetzt werden wir… einige Antworten hören. Du wirst antworten … oder sterben.«
»Ich werde antworten, Großatter«, sagte Livar schnell und vermochte das Zittern in seiner Stimme nicht zu unterdrücken. Er war diesem Rekk-Ungeheuer auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Das entsetzliche Abenteuer hatte begonnen, als Leutnant Zoquen und die anderen das Flugzeug verließen, um in dem kleinen Gehäuse auf dem Dach zu verschwinden und nicht zurückzukehren.
Und dann hatte sich der Terraner leise wie ein Geist von hinten herangeschlichen. Er mußte der unheimliche Großatter sein, von dem überall halb spaßhaft, halb ernsthaft gesprochen wurde.
Die Umrisse des Messers leuchteten in der Dunkelheit, die Klinge glitzerte böse. »Du wirst die Fragen wahrheitsgemäß beantworten – bei deinem Soldatenschwur?«
»Ich schwöre.«
»Terra, Venus, Mars – alle unter – eurer Kontrolle?«
»Yio.«
»Wie?«
»Mit Hilfe des Staubes, eines Pflanzengiftes, das alle Terraner schlafen läßt. Die Pflanze wächst auf Risstair.«
»Risstair?« Die Stimme klang verblüfft. »Wie lange … dauert dieser Schlaf?«
»Ursprünglich nicht mehr als neun Stunden, hat mir der Leutnant gesagt. Ich weiß nicht, wie lange der Schlaf jetzt dauert. Wir Soldaten bekommen ja nicht alles zu wissen. Es scheint aber eine Art Winterschlaf zu sein. Die Schlafenden brauchen keine Nahrung und kein Wasser.«
»Und was wollen eure Führer mit den drei Planeten anfangen?«
»Ich weiß es nicht genau«, antwortete Livar. »Jedenfalls soll das Leben der hiesigen Bevölkerung als Mittel dienen, der Föderation gewisse Konzessionen abzuzwingen.«
»Wenn nun aber die Föderation nicht glauben will, was man ihr berichtet?«
»Oh, sie werden es glauben. Es ist bereits ein
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