TTB 118: Die schlafende Welt
sehen, selbst wenn es nur finstere Larry-Gesichter waren. Man hatte kein Wort an ihn verschwendet, sondern den Stapel schweigend entfernt und die Tür laut hinter sich zugeknallt. Martak Sarno glaubte vielleicht nicht an Gespenster, aber er ging jedenfalls kein Risiko ein.
Nach diesem Zwischenfall ließ sich die Langeweile wieder ein wenig besser ertragen. Das Gefühl, daß er die Larrys noch immer aus der Ruhe bringen konnte, war unendlich erfrischend – ebenso wie die Erinnerung an einen sonnigen kalten Nachmittag in Georgia und an ein tödliches Gewehr und eine düstere Stimme: »Livar ist nicht betrunken. Er spricht die volle Wahrheit.«
Daß sich tatsächlich jemand dem Zugriff der Larrys entzogen hatte und nun seine eigenen blutrünstigen Geschichten halb Wirklichkeit werden ließ, war mehr, als er – Donovan – sich je erhofft hatte. Doch obwohl er den anderen um seine Erfolge nicht beneidete, hatte er keine Lust, hier stillzusitzen und die Dinge einfach geschehen zu lassen.
Aber danach schien niemand zu fragen. Seine Rolle schien für den Augenblick ausgespielt zu sein. Das Match fand zwischen dem selbsternannten Großatter und den Streitkräften Martak Sarnos statt.
Unruhig warf er sich auf seiner Pritsche herum. Diese ganze Sache wurde langsam zu einer ziemlichen Belastung.
16
Sjilla starrte nachdenklich durch das Plasmaglasfenster auf die azurblauen Felsen hinaus, die dem Ort seinen Namen gegeben hatten. Im Raum schwebte der Geruch einer Xil-tressk. Die Blume stand in einem Kasten in der Nähe des Fensters und war sich seiner Gegenwart deutlich bewußt. Er war das erste Lebewesen, das seit einiger Zeit in ihre Nähe gekommen war; und ihre Tentakel bewegten sich aufgeregt.
So leicht ist es also, dachte er, das Geheimnis der immunen Terraner zu erklären.
Er befand sich in der Zelle von Paul Nogales in Blue Hills, Venus. Die Blume war Nogales’ Maskottchen gewesen, seine »Tiger Lil«, wie er sie immer genannt hatte, ein Souvenir von seinem Aufenthalt auf Risstair, das er jahrelang mit sich herumgeschleppt hatte. Er war ein Sternenvagabund gewesen, der es niemals lange an einem Ort ausgehalten hatte. Doch dann, in San Francisco, erwischte es ihn in Form einer Heiratsurkunde. Doch von »Tiger Lil« konnte er sich nicht trennen, und so zog sie mit in die kleine Pension in Butte, Montana, wo Margaret Cassidy residierte. Und dann war der Vogel bald wieder ausgeflogen und hatte Immunität zurückgelassen, Immunität für eine liebende Frau und für eine spitznasige Pensionswirtin. Doch er war nicht weit gekommen. Auf der Venus hatte bereits die Polizei auf ihn gewartet, und »Tiger Lil« hatte ihn auch in das Gefängnis begleitet. Wer hätte etwas gegen eine schöne Blume haben können?
Doch eine Blume mit derart ungewöhnlichen Eßgewohnheiten erregt natürlich einiges Aufsehen, selbst beim Gefängnispersonal, und wenn nun einer der Wächter zu Hause beim Essen davon berichtet, und wenn er einen Sohn hat, der gerade nach etwas Besonderem für seinen Professor sucht, und wenn dieser Wächter seinen Sohn einmal in die betreffende Zelle einschmuggelt, mit Kamera und Notizblock …
Die Stücke dieses Puzzlespiels paßten sauber zusammen, und die Einfachheit des Ganzen überwältigte ihn. Rayburn Senior und Rayburn Junior waren dann gleichzeitig vom Gift der Xil-tressk befallen und schleunigst nach New York gebracht worden, wo sie sich gerade rechtzeitig zum Einsetzen der Invasion wieder erholten, ehe das Interesse an ihrem Fall zu konkreten Ergebnissen geführt hatte …
Neun immune Menschen, dachte er, und neun klare und eindeutige Antworten. Fall abgeschlossen, abgelegt und vergessen.
Abgesehen von einem Problem. Oder vielmehr zwei Problemen.
Als erstes war da immer noch Nummer zehn – das Gespenst von Baxter. Das zweite Problem war bereits ein wenig komplizierter. Mit wie vielen Leuten war Paul Nogales in all den Jahren zusammengekommen? Wie viele Immune – außer den neun, die bisher bekannt waren – liefen noch unerkannt herum und lachten sich ins Fäustchen?
*
Bei seiner Rückkehr auf die Erde – die Xil-tressk hatte er mitgenommen – wurde er von Blalir, seinem Assistenten, bereits sehnsüchtig erwartet. Dieser führte ihn sofort zu einem Hubschrauber.
»Ich glaube, wir wissen jetzt, wer das Gespenst ist«, sagte er aufgeregt, während sie starteten. »Aber ich werde Ihnen von Anfang an berichten. Wir sind bekanntlich schon immer der Ansicht gewesen, daß hinter den
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