TTB 118: Die schlafende Welt
…«, begann Carstairs.
»Schschsch!« Sarno hob den Finger. »Vorsicht! Sie könnten es ja mit einem Wahnsinnigen zu tun haben!« Er wartete, bis Carstairs die Blätter an die Terraner verteilt hatte.
»Sie sehen«, sagte er, »meine Bedingungen sind durchaus nicht unannehmbar. Das Imperium erhebt keinerlei Anspruch auf eine Ihrer eigenen Welten, sondern verlangt nur die Rückgabe aller Planeten, die während des Krieges von der Föderation erobert wurden. Weiterhin müssen sämtliche Gefangenen freigelassen werden. Alle militärischen Anlagen außerhalb der Föderationsgrenzen müssen innerhalb einer bestimmten Zeit geräumt sein. Weiterhin müssen die Namen sämtlicher Agenten, Mittelsmänner und Überläufer im Imperium offengelegt werden. Als Sicherung hierfür und für unsere anderen Forderungen werden Sie unserem Hohen Rat einige hohe Militärs und Politiker der Föderation überantworten. Die Sendungen des ›Freiheits-Senders‹ sind sofort einzustellen. Und schließlich müssen alle Streitkräfte der Föderation von der augenblicklichen Front zurückgezogen und in die Grenzen der Föderation verlegt werden.«
»Aber diese Bedingungen werfen uns an den Ausgangspunkt zurück!« explodierte Raymond.
»Das«, versetzte Sarno, »ist Ihr Problem. Ich weise darauf hin, daß meine Forderungen in keiner Weise auf eine bedingungslose Kapitulation Ihrer Streitkräfte hinauslaufen.«
»Weil Ihnen eine solche Forderung sowieso nicht erfüllt würde«, sagte Carstairs. »Und ich bin nicht einmal sicher, daß diese Bedingungen akzeptiert werden.«
»Nein? Das wäre zu schlimm – für die Bewohner dieses Systems, meine ich. Denn, meine Herren, darauf muß ich Sie noch hinweisen: jeden Tag wird eine terranische Stadt ihre Einwohnerschaft verlieren, bis diese Bedingungen akzeptiert werden!« Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und blickte lächelnd zur Decke. »Das läßt Ihnen wirklich viel Zeit, nicht wahr? Wir werden natürlich mit den kleinen Städten beginnen und uns nur langsam hocharbeiten. Wenn wir bei New York oder Hongkong angekommen sind, nehme ich doch an, daß die Herren zu einer Entscheidung gekommen sind.«
Selbst Carstairs war sprachlos. Die Terraner saßen einfach da und starrten Sarno an, als ob sie nicht begreifen konnten, was mit ihnen geschah. Sarno legte die Hände auf den Tisch und erhob sich.
»Jetzt liegen die Karten auf dem Tisch, meine Herren. Ich habe meine Trümpfe aufgedeckt, und sie sind gut. Ich sehe, daß Sie keinerlei Zweifel mehr an meiner Glaubwürdigkeit hegen, das freut mich. Damit ist die Sitzung beendet. Nun liegt es an Ihnen, Ihr Oberkommando entsprechend zu überzeugen. Sie können gehen.«
Als die Terraner schweigend den Raum verlassen hatten, sank er in seinen Sessel. Ihm war seltsam leicht zumute. Jetzt war das terranische Oberkommando am Zug. Er hatte die Forderungen des Imperiums vorgebracht. Er brauchte nur noch so lange auszuhalten, bis die Entscheidung gefallen war.
In der Zwischenzeit hatte er sich mit einer neuen und gänzlich unerwarteten Wende der Ereignisse zu befassen, dem Auftauchen seltsamer nächtlicher Erscheinungen und der Vernichtung von vier ganzen Bataillonen.
Er stöhnte leise auf. Vier Bataillone! Gegen diesen Verlust verblaßte das Schicksal General Quirors und seines Kommandos in Atlanta zur Bedeutungslosigkeit. Bei drei Millionen Soldaten, die über drei Milliarden Menschen wachen sollten, war der Verlust jedes Mannes schmerzhaft … und der Verlust von vier ganzen Kampfbataillonen war fast nicht mehr zu verantworten. Vier Bataillone – und kein einziger Hinweis auf die Identität des Verantwortlichen, keine Möglichkeit, zurückzuschlagen, Rache zu üben.
Ich glaube nicht an Geister, sagte er sich. Und schon gar nicht an Donovans Großatter oder seine Story von den ärgerlichen Urahnen, die die Kehlen der Invasoren durchschneiden, um ihre Nachfahren zu befreien und die dann eine wilde Polka auf den Dächern tanzen …
Trotzdem hatte er Vergnügungen jeder Art untersagt, und zum erstenmal in der llralanischen Militärgeschichte schienen die Soldaten mit einem solchen Befehl einverstanden zu sein. Das war alarmierend und bedeutete Schwierigkeiten. Große Schwierigkeiten.
Auf der anderen Seite dieser Welt ist es Nacht, dachte er. Und auch Venus und Mars haben ihre Nachtseiten. Was geht dort wohl jetzt vor …?
29
Die drei schlafenden Planeten folgten ihren Bahnen um die Sonne und drehten sich um ihre Achsen, doch ihre Bewohner
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