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Türkisgrüner Winter (German Edition)

Türkisgrüner Winter (German Edition)

Titel: Türkisgrüner Winter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bartsch
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mir dich gewünscht.«
    Mein Herz sackte mir schlagartig in die Hose und jegliches Blut schien mir aus dem Kopf zu weichen. Gerade hatten wir doch noch über Alex und Sebastian gesprochen, wie konnten wir so plötzlich bei mir und Elyas landen? Ich hatte das Bedürfnis, irgendetwas zu erwidern, aber gleichzeitig das Gefühl, ich würde es dadurch nur schlimmer machen.
    »Weißt du«, sagte Alena, »als ihr beide noch Teenager wart, gab es oft Momente, in denen ihr euch auf eine ganz bestimmte Weise angesehen habt – aber immer nur dann, wenn der jeweils andere gerade wegschaute.« Etwas Verträumtes lag in ihrem Blick verborgen. »Als Mutter sieht man so etwas einfach. Wahrscheinlich wusste ich es schon, bevor ihr beide es wusstet. Ich habe euch oft still und heimlich beobachtet und mir gewünscht, ihr zwei würdet den Weg zueinander finden. Aber leider«, sie seufzte, »trat das nicht ein. Es kam anders. Elyas reiste nach London.« Alena hing ihren Gedanken nach. Erst verzögert wandte sie den Blick wieder auf mich. »Irgendetwas ist damals zwischen euch vorgefallen, richtig?«
    Ich starrte sie an und musste kreidebleich geworden sein.
    Erst Alex, dann mein Vater und jetzt auch noch Alena. Offenbar war mein jahrelang gehütetes Geheimnis doch nicht so geheim gewesen, wie ich immer gedacht hatte. Und auf einmal kam ich mir dumm vor. Dumm, weil ich davon ausgegangen war, jedem etwas vorspielen zu können.
    Durch den Schwenk in die Vergangenheit rissen meine alten Wunden wieder auf und verschmolzen mit den neuen.
    Ich blickte auf die Hände. »Ich weiß nicht, was du meinst«, murmelte ich.
    »Ach Emely«, sagte sie mit einem tiefen Atemzug. »Ganz blöd bin ich auch nicht. Es ist manchmal sehr schwer zu erahnen, was in deinem oder Elyas‘ Kopf vorgeht. Alex ist das komplette Gegenteil. Sie trägt ihr Herz auf der Zunge. So anstrengend das auch hin und wieder sein kann, so bewundernswert und angenehm ist es auch. Ich muss mir nie den Kopf über sie zerbrechen. Ich weiß immer, was in ihr vorgeht. Aber du und Elyas …« Sie schüttelte den Kopf. »Ihr seid da ganz anders. Ihr fresst alles in euch hinein. Euch kann man erst etwas aus der Nase ziehen, wenn schon fast alles zu spät ist.«
    Mein Magen zog sich zusammen. Ich hätte am liebsten das Autoradio so laut gestellt, damit Alenas Stimme komplett übertönt wurde.
    »Worauf ich hinauswill ist, dass man mit den Jahren trotzdem einen Blick dafür entwickelt, ob mit euch alles in Ordnung ist oder nicht. Was bleibt einem auch anderes übrig, wenn ihr Kinder alles mit euch selbst ausmacht? Ich versuche mich auf mein Gefühl zu verlassen. Und meistens behält es recht.« Sie hielt einen Moment inne und blickte in die Ferne.
    »Als Elyas an Weihnachten unverhofft vor der Tür stand«, sprach sie weiter, »sah ich ihm sofort an, dass etwas nicht stimmte. Er tat es ab, sagte, er hätte Stress und viel um die Ohren. Aber mein mütterliches Gespür verriet mir etwas anderes.
    Stunden später hast du unser Haus betreten, Emely, und ich erlebte ein Déjà-vu. Ich sah ihn an, ich sah dich an, und ich wusste, dass es um Liebeskummer geht. Die Blicke, die ihr euch einander zugeworfen habt, verrieten, wer der jeweilige Auslöser dafür war.«
    Sie hatte es die ganze Zeit gewusst. Ihr Drängen, dass Elyas einen Stuhl zu mir aufrücken sollte, dass er mir die Katze überreichte und dass sie ein Foto von uns machen wollte – es war kein Zufall gewesen.
    Ich fühlte mich klein. Durchschaut bis auf die Knochen. Meine Fassade, die ich so lange versucht hatte aufrechtzuerhalten, brach vor meinen Augen wie ein marodes Mauerwerk zusammen. Kleine, dumme Emely.
    »Alena«, sagte ich und versuchte das Zittern in meiner Stimme mit einem Räuspern zu überspielen. »Du … du täuscht dich. Du bist auf einem völlig falschen Dampfer.«
    Die Federung ließ mich spüren, dass der Wagen stoppte. Ich blickte mich um. Wir hatten den Bahnhof erreicht und standen in einer Parklücke. Alena schaltete den Motor aus und löste ihren Sicherheitsgurt.
    Warum sagte sie, dass Elyas auch Liebeskummer hatte? Wusste sie denn nicht, dass sie mir damit Hoffnungen machte? Ein Dutzend verschiedene Gefühle kamen in mir auf, bildeten ein wahlloses Wirrwarr, das mir den Hals zuschnürte. Ich wollte raus aus dem Auto.
    »Wenn ich mir dich so ansehe, dann glaube ich eher, dass ich genau ins Schwarze getroffen habe«, sagte Alena leise.
    Die Worte trafen mich wie ein Schlag in den Magen. Ich war aufgeflogen. Nichts,

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