Türkisgrüner Winter (German Edition)
viermal mit der Waschmaschine gewaschen und letztlich in einem Mülleimer hinter der Uni für die Ewigkeit verbannt. Ich wäre bis zu meinem Lebensende nicht mehr in der Lage gewesen darin zu schlafen.
Nicolas hatte sich nach meinem Überraschungsbesuch – der sechs Wochen vorher angekündigt war! – schnellstens die Hosen hochgezogen und aus dem Staub gemacht. Somit war nur Eva übrig geblieben, die ich hatte zur Sau machen können. Als ich schnaubend vor ihr stand, war es nicht gerade klug von ihr, sich auch noch mit den folgenden Worten bei mir zu beschweren: »Och Menno, Emely. Hättest du nicht fünf Minuten später kommen können? Ich war kurz vorm Höhepunkt, verdammt!«
Nachdem ich sie zwei volle Stunden beschimpft und sie mich als prüde, spießig und verklemmt bezeichnet hatte, schrieb ich umgehend einen Aushang, mit dem ich nach einer neuen Mitbewohnerin suchte. Natürlich mit der Anmerkung, dass Nonnen, Hardcore-Feministinnen und sexuell inaktive Menschen bevorzugt behandelt werden würden.
Ich riss alle Fenster in der Wohnung auf und erst, als es nach vier Stunden endlich nicht mehr nach Puff stank, schaffte ich es, mich allmählich ein bisschen zu beruhigen. Trotzdem bekam ich nachts, wenn die Bilder wieder da waren, oftmals immer noch kein Auge zu. Wie der kleine Junge aus dem Film »The Sixth Sense« zog ich mir dann die Decke hoch bis zur Nase. Nur mit dem Unterschied, dass ich keine toten, sondern fickende Menschen sehen konnte.
Sollte das nicht besser werden, so hatte ich inzwischen beschlossen, müsste ich dringend mit Sebastian darüber sprechen. Es gab einfach Fälle, bei denen man sich nicht scheuen sollte, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Und zweifelsohne war das einer von ihnen.
Bis auf diese gewaltige Ausnahme war meine Rückkehr nach Berlin sehr unspektakulär verlaufen. Ich hatte in meiner Abwesenheit nichts verpasst und der Alltag war bereits wieder dabei, seine Klauen in mich zu schlagen. Die letzten zwei Tage verbrachte ich vorwiegend mit arbeiten, lesen, lernen und Alex trösten. Letztere hatte sich wegen dem Schwiegereltern-Fiasko mittlerweile ein bisschen gefasst und war zum Glück immer so sehr mit ihrem eigenen Problem beschäftigt, dass sie unsere Unterhaltungen kein einziges Mal auf ihren Bruder gelenkt hatte.
Ihr Bruder.
Ich seufzte. Die Fotos von Alena befanden sich inzwischen im Kleiderschrank, wo sie in bester Gesellschaft mit dem Pulli und der CD waren. Ich hatte sie unzählige Male herausgeholt und immer wieder angeschaut.
»Was auch immer Elyas getan hat, es tut ihm sehr leid.«
Ja, wenn man sein trauriges Gesicht auf den Bildern sah, konnte man das tatsächlich meinen … Ob ich auf meinen Vater hören und doch noch einmal das Gespräch mit Elyas suchen sollte?
Irgendwo wusste ich wohl, dass das die einzige Möglichkeit war, um Klarheit zu bekommen. Und würde ich mich nicht schon allein bei der Vorstellung so sehr fürchten, hätte ich es vermutlich auch längst umgesetzt.
Eva ignorierte ich weitestgehend, aber als sie mir gestern von einem Brief erzählt hatte, der in meiner Abwesenheit für mich eingetroffen war, hatte sie schlagartig meine volle Aufmerksamkeit bekommen. Für einen Moment hatte ich tatsächlich geglaubt, er könnte von Elyas sein. Natürlich war das aber nicht der Fall. Wobei ich zugeben musste, dass der wahre Inhalt mich nicht minder überraschte. Eine Einladung zur Hochzeit. Sophie hatte mir zwar beim Zelten erzählt, dass sie und Andy vorhatten im neuen Jahr zu heiraten, aber dass ich zu den geladenen Gästen gehörte, hatte sie nicht erwähnt. Eine sehr nette Geste der beiden, über die ich mich freute. Ob ich wirklich hingehen würde, wusste ich noch nicht. Für diese Entscheidung hatte ich aber auch noch ein paar Wochen Zeit.
Aus einem Gefühl heraus war ich nach meiner Ankunft in Berlin noch einmal meinen E-Mail Posteingang durchgegangen. Ich hatte den Laptop in Neustadt dabei gehabt, aber nur sporadisch die Mails abgerufen und deren Inhalt bloß überflogen. Von wem hätte ich auch auf Post warten sollen? Luca gab es ja nicht mehr.
Der Satz, in dem Elyas‘ sagte, er hätte mir alles erklärt, ließ mich nach wie vor nicht in Ruhe. Und so hatte ich gedacht, dass womöglich eine nicht gelesene Mail existierte, aber auch da wurde ich enttäuscht. Nichts. Kein Luca.
Mit dem Handrücken wischte ich mir hochgespritzten Zitronensaft von der Wange und schnitt die auf einem Brettchen liegende Frucht weiter in Scheiben. Heute
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