Türkisgrüner Winter (German Edition)
Talk vorziehen und uns gleich ausführlich den momentanen Wetterverhältnissen widmen.«
Sebastian biss sich auf die Lippe, sah einen Moment auf das Colaglas, ehe er die Augen wieder auf mich richtete. »So verlockend das auch klingt, aber ich fürchte, unser Gespräch über das Wetter muss dann doch noch ein bisschen warten … Ehrlich gesagt ist Alex nicht der Grund, warum ich hier bin.«
Ich zog die Augenbrauen nach oben.
»Nicht?«
Er verneinte, und mit einem Mal machte sich ein flaues Gefühl in meinem Bauch breit. Für einen Moment hörte mein Herz auf zu schlagen.
»Sag mir nicht«, stammelte ich. »Dass er dich geschickt hat.«
»Von geschickt kann keine Rede sein, eher im Gegenteil«, sagte Sebastian. »Er weiß nicht, dass ich hier bin, und wenn dir meine Gesundheit am Herzen liegt, bleibt das auch besser so. Aber ja, Emely, du liegst richtig. Elyas ist der Grund für meinen Besuch.«
Irgendwie schaffte er es, mich bereits mit diesen wenigen Worten total zu überfordern.
»Sebastian, ich … ich habe keine Ahnung, was du von mir willst und ich glaube wirklich nicht, dass ich mit dir über ihn sprechen möchte.«
»Emely«, sagte er und sah mir in die Augen. »Es ist nicht leicht für mich, meinem besten Freund in den Rücken zu fallen. Genau das tue ich aber mit meinem Gastspiel. Und du kannst dir sicher vorstellen, dass ich das niemals grundlos tun würde. Ich denke, es wird dich sehr interessieren, was ich dir zu sagen habe.«
Der letzte Satz ließ mich mehr aufhorchen, als mir lieb war. Was bewegte Sebastian dazu, mich aufzusuchen? Was für ein triftiger Grund musste dahinter stecken?
»Sebastian … Ich weiß nicht«, sagte ich. »Wenn es wirklich um etwas sehr Wichtiges geht, wäre es vielleicht besser, wenn Elyas selbst–«
»Elyas wird die Stadt verlassen. Er zieht weg«, unterbrach er mich. Anstatt in die Zitrone, glitt die Messerklinge in meinen Finger. Elyas wird die Stadt verlassen. Ich starrte auf das Brettchen, auf dem sich die ersten Bluttropfen sammelten. Erst verzögert spürte ich das Brennen des Zitronensaftes in der offenen Wunde.
»Mist«, murmelte ich leise.
Sebastian lehnte sich über den Tresen, sah was passiert war, sprang vom Barhocker und kam zu mir gelaufen. »Ist der Schnitt tief?«, fragte er.
Wieso wollte Elyas wegziehen? Er hatte nie erwähnt, dass er Berlin verlassen wollte. Im Gegenteil, ich hatte immer den Eindruck, ihm würde es in der Stadt gefallen.
»Emely?«
Ich blinzelte. »Hm?«
»Ob der Schnitt tief ist?«
»Ehm …« Ich sah auf meinen Finger. »Ich weiß nicht.«
Sebastian musterte mich einen Moment, griff dann nach einer Serviette und versuchte die Blutung zu stoppen. Vereinzelt fielen ein paar Tropfen zu Boden.
Eigentlich müsste ich mich erleichtert fühlen. Die Angst, Elyas über den Weg zu laufen, wäre ein für alle Mal vorüber. Ich könnte Alex zu jeder Zeit besuchen, müsste mir nie wieder Gedanken darüber machen, ob ihr Bruder zu Hause war oder nicht. Ich könnte mit der ganzen Sache abschließen und zumindest versuchen, zurück in mein altes und halbwegs entspanntes Leben zu finden. Ja … Es gab tausend Gründe, warum mir ein Stein vom Herzen fallen sollte. Aber mein Herz fühlte sich schwerer an denn je. Wenn Elyas wegzog, würde ich ihn vielleicht nie wieder sehen.
Ich spürte Druck an meinem Finger und blickte zu Sebastian. Er hielt die Serviette fest um die Wunde gedrückt. »Ich denke, es sieht schlimmer aus, als es ist«, sagte er. »Aber es blutet ziemlich stark.«
»Wieso … ich meine, warum?«, stotterte ich.
Sebastian hob den Blick und zog die Stirn kraus. Doch dann begriff er, dass ich nicht von meinem Finger sprach.
»Fragst du mich ernsthaft warum ?« Er sagte das in einem Tonfall, als müsste der Grund für mich selbstverständlich sein. Leider konnte ich aber nur mit den Schultern zucken.
»Deinetwegen, Emely«, sagte er.
Was redete er da?
»Meinetwegen?«
»Natürlich, weswegen denn sonst?«
Mein Kopf arbeitete wie in Zeitlupe. Was hatte ich damit zu tun?
»Elyas will meinetwegen die Stadt verlassen?«, wiederholte ich, um sicher zu gehen, dass ich richtig gehört hatte.
»Na ja, flüchten trifft es wohl eher.«
»Aber … aber wieso?« Mit der Hand tastete ich nach der Theke und lehnte mich mit der Hüfte dagegen. Die Umgebung begann sich ein bisschen zu drehen.
Sebastian musterte mich auf eine Weise, dass ich mir vorkam, als wäre ich von einem anderen Stern. Gerade, als er den Mund öffnete,
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