Türkisgrüner Winter (German Edition)
fuhr ich fort. »Wie soll ich auf so etwas kommen? Denkst du nicht, ich würde mir wünschen, dass es kein Spiel für ihn war? Denkst du nicht, dass ich alles dafür geben würde, wenn es auch nur irgendeine dümmliche Erklärung für die E-Mails gäbe?«
Sebastian wirkte, als hätte er einen Geist gesehen, während sich seine Stirn immer mehr in Falten legte. »Aber … dann … Aber dann verstehe ich nicht«, stammelte er und brach ab.
»Ich verstehe schon nichts mehr, seitdem du hier aufgetaucht bist!«, entgegnete ich. »Irgendetwas läuft hier total verkehrt! Du täuschst dich, Sebastian! Ich habe keinen Schimmer, was er dir erzählt hat. Vielleicht verschweigt er dir ja den eigentlichen Grund für seine geplante Abreise. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass es mit mir zusammenhängt.«
»Emely«, sagte er bestürzt. »Um ehrlich zu sein, bin ich auch gerade sehr durcheinander, aber wenn ich eins sicher weiß, dann dass du der Grund für all das bist.«
Ich schnappte nach Luft und wusste langsam überhaupt nicht mehr, wo mir der Kopf stand. »Aber«, haspelte ich und rang mit meiner Selbstbeherrschung. »Wenn es stimmen sollte, was du sagst, und es ihm wirklich meinetwegen so mies geht, warum hat er sich dann nicht noch einmal bemüht, mit mir zu reden? Er kann doch nach alledem, was vorgefallen ist, nicht von mir erwarten, dass ich von selbst darauf komme! Wenn ich ihm tatsächlich so viel bedeute, wie du behauptest, weshalb sagt er es mir dann nicht? Wenn er nicht vorhatte, mich mit den E-Mails zu verarschen, wieso erklärt er mir nicht den verfickten Grund, warum er es dann getan hat?«
Ich war mir sicher, dass Sebastian keine Antwort darauf hatte, doch er belehrte mich eines Besseren.
»Aber er hat es dir doch erklärt!«
»Bitte?«, fragte ich. »Nur weil er im Treppenhaus ein bisschen rumstammelte, dass es ihm leid täte und seine Gründe sich geändert hätten, könnt ihr das doch im Nachhinein nicht so abstempeln, als hätte er sich ernsthaft erklärt! Das im Treppenhaus-« Sebastian fiel mir ins Wort.
»Ich rede doch nicht vom Treppenhaus! Ich weiß ja nicht mal genau, was dort abgelaufen ist. Ich rede von dem Brief.« Er sah mich so an, als müsste es bei mir nun endlich Klick machen, aber der gewünschte Effekt trat nicht ein. Ich verstand nur Bahnhof.
»Was für ein verfickter Brief?«, fragte ich, lehnte mich wieder zurück und verschränkte die Arme.
»Na der Brief, den er dir geschrieben hat!« Wieder schaute er mich an, als müsste ich doch endlich begreifen. Doch genau das Gegenteil war der Fall.
»Sebastian«, sagte ich um Ruhe bemüht. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, von welchem Brief du sprichst.«
In seinen Augen spiegelte sich die reinste Ungläubigkeit wider und nur sehr zögerlich ging ihm der nächste Satz über die Lippen. »Der Brief, in dem er sich entschuldigt und alles erklärt hat.«
Wir musterten uns gegenseitig. Er mich, als hätte ich eine posttraumatische Amnesie, und ich ihn, als würde er unter Einbildungen leiden. Er machte allerdings nicht im Geringsten den Eindruck, als wäre das der Fall.
»Wann soll das gewesen sein?«, fragte ich.
»So genau weiß ich das nicht mehr. Es war kurz nachdem alles herauskam. Vielleicht ein oder zwei Wochen später.«
Ich bewegte den Kopf erst nach links und dann nach rechts. »Ich habe niemals einen Brief von Elyas erhalten«, sagte ich. »Womöglich täuschst du dich.«
»Nein, ich weiß ganz sicher von dem Brief«, beharrte er.
»Vielleicht wollte er mir einen geben – getan hat er es aber nicht.«
»Doch, ganz sicher. Elyas hat mir davon erzählt und ich habe selbst mitbekommen, wie dreckig es ihm ging, weil du ihm keinerlei Antwort gegeben hast.«
Ich wischte mir mit der Hand durchs Gesicht und ging einen Moment in mich, um tief durchzuatmen. »Aber ich habe keinen Brief bekommen, Sebastian«, wiederholte ich noch einmal. »Wie hätte der Brief mich erreichen sollen? Mit der Post?«
»Nein. Elyas hat ihn dir nachts vorbeigebracht.«
Ich zog die Augenbrauen nach oben. »Glaube mir, ich könnte mich bestens daran erinnern, wenn Elyas nachts bei mir geklopft hätte.«
»Nein, ich weiß ja, dass er ihn dir nicht persönlich übergeben hat«, sagte Sebastian. »Ich habe keine Ahnung, wo er ihn abgelegt hat. Vielleicht vor der Tür, oder in den Briefkasten.«
»Aber dann hätte ich ihn doch finden müssen!«
Da Sebastian das offenbar genauso sah, wusste er keine Antwort.
Hatten wir uns vor wenigen
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