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Twin Souls - Die Verbotene: Band 1

Twin Souls - Die Verbotene: Band 1

Titel: Twin Souls - Die Verbotene: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Zhang
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eisern, wie unsere Fäuste geballt waren. Aber ich musste es tun.
    Addie sah den Gang hinunter. ‹506›, sagte sie leise.
    Wir schoben uns durch die Menge dorthin, legten an Tempo zu, als die Flure allmählich leerer wurden. Addie bewegte sich hölzern, während sie mit der Entschlossenheit einer Person, die ohne anzuhalten vorwärtsmarschiert, weil sie fürchtet, nie wieder loszulaufen, falls sie je stehen bleibt, einen Fuß vor den anderen setzte. Bald darauf joggten, dann rannten wir die Flure entlang.
    Wir stürzten mit einem solchen Scheppern und Krachen in den Raum 506, dass die Lehrerin aufsprang. Addie warf die Arme nach vorn und stützte sich an einem Tisch ab, damit wir nicht hinfielen.
    »Entschuldigung, tut mir leid«, sagte sie. Sie bückte sich, um einen Stuhl aufzurichten, den wir umgestoßen hatten. »Ich … ich bin auf der Suche nach Hally Mullan. War sie hier?«
    »Sie ist gerade raus«, sagte die Lehrerin, die Hand noch immer an die Brust gepresst. »Also wirklich, ist es denn dermaßen dringend?«
    Addie war bereits halb aus der Tür. »Nein, ist es nicht. Tut mir leid.«
    ‹Wohin jetzt?›, sagte sie, und Dankbarkeit durchströmte mich. Die Schule wurde von Hybridressentiments überschwemmt. Unsere Brust war so eng, dass ich jeden Atemzug spürte, den wir in unsere Lunge sogen und wieder hinauspressten. Addie hätte sagen können: Sie ist nicht hier. Ich habe es versucht. Vielleicht klappt es ja morgen. Stattdessen fragte sie nur: Wohin jetzt?
    ‹Ich weiß nicht. Zur Cafeteria, schätze ich. Dann nach draußen. Dann vielleicht in das Café auf der anderen Straßenseite.›
    Wir suchten die Gesichter im Speisesaal nach Hallys schwarz umrandeter Brille ab, hofften, einen Blick auf ihre langen dunklen Locken unter den Kaffeetrinkern und Zeitungslesern des Cafés zu erhaschen. Aber sie war nirgends zu sehen. Als wir das Café schließlich verließen, war bereits über die Hälfte der Mittagspause verstrichen.
    ‹Wir warten einfach vor ihrem Klassenzimmer›, sagte ich. ‹Dorthin muss sie zurückkehren.›
    ‹Wir werden zu spät zum Unterricht kommen.›
    ‹Das ist mir egal.›
    Hallys Lehrerin beäugte uns misstrauisch, als wir ihren Klassenraum betraten. Addie ließ sich auf einen Platz neben der Tür gleiten und legte die Arme auf dem Pult übereinander. Wir warteten. Und warteten.
    ‹Es wird jeden Moment läuten, Eva.›
    ‹Nur noch ein bisschen länger›, bat ich. ‹Sie wird kommen. Du wirst schon sehen.›
    Aber sie kam nicht. Die Minuten verstrichen quälend langsam und schweigend. Hallys Lehrerin räusperte sich. Wir ignorierten sie. Schließlich stand Addie auf.
    ‹Addie, lass uns nur noch ein paar …›
    Aber Addie schüttelte den Kopf und griff haltsuchend nach unserem Rock, sie zerknüllte den Stoff zwischen unseren zu Fäusten geballten Händen.
    Mit sorgfältig abgemessenen Schritten ging sie zur Tür hinaus. ‹Sie ist nicht hier, Eva. Diese Lehrerin hält uns wahrscheinlich für verrückt. Und …›
    ‹Bleib stehen, Addie.›
    ‹Wir gehen›, sagte Addie. ‹Es ist mir egal, was …›
    ‹Nein, nein. Bleib stehen. Guck doch, da ist Hally.›
    Addie erstarrte. Ich spürte, wie ihr Verstand aussetzte. Hally hatte uns noch nicht entdeckt. Sie stand neben ihrem offenen Spind und kramte in ihren Büchern. Wo war sie gewesen? Wie kam es, dass wir sie nicht hatten finden können? Aber das spielte jetzt keine Rolle mehr.
    ‹Addie, sag etwas.›
    Doch Addie rührte sich nicht.
    ‹Es ist nur Hally, Addie. Bitte. Sag etwas.›
    Unsere Füße blieben am Boden haften, unsere Lippen wie zugetackert. Uns trennten nur ein halbes Dutzend Schritte von Hally, aber es schien eine ganze Welt zu sein.
    ‹Für mich, Addie.›
    Eine Faust umschloss unser Herz. Addie zwang sich, einen Schritt vorwärtszumachen.
    »Hally?«, sagte sie. Unsere verschwitzten Hände zuckten unkontrolliert.
    Hallys Kopf fuhr etwas zu schnell hoch, ihre Mundwinkel bogen sich nach oben. »Oh, hallo, Addie«, sagte sie.
    Addie nickte. Sie und Hally starrten sich an. Ich rang meine Ungeduld nieder. Wenn ich sie zu sehr unter Druck setzte, verlor Addie vielleicht ihre ohnehin zum Zerreißen angespannten Nerven. Tat ich es jedoch nicht, verlor sie womöglich noch den Mut.
    Komm schon, Addie, betete ich. Komm schon, bitte.
    »Ich …«, sagte Addie. »Ich … äh …« Sie sah sich um und stellte sicher, dass niemand sonst zuhörte. »Eva«, sagte sie so leise, dass ich befürchtete, Hally könne sie nicht hören.

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