Twin Souls - Die Verbotene: Band 1
Wagen auf einen Parkplatz direkt vor dem Haus zusteuerte. Abgesehen von zwei Männern, die irgendeine Art von Instandsetzungsarbeit auf dem Dach ausführten, wirkte das Gebäude verlassen.
Die Luft hier war trocken, keine Spur von der hohen Luftfeuchtigkeit, die uns zu Hause so gequält hatte. Aber es war ebenso heiß, und Addie kniff die Augen zusammen, als wir aus dem Auto stiegen.
Alle Spuren des brüllend heißen Sommertages lösten sich in nichts auf, sobald wir die Nornand-Lobby betraten. Hier war die Luft kühl genug, um uns schaudern zu lassen. Mr Conivent ging auf den Empfangstresen zu, und Addie warf dem Wachmann, der nicht weit von uns entfernt stand, einen raschen Blick zu, ehe sie ihm folgte.
Die Empfangsdame überprüfte Mr Conivents Ausweis, dann nickte sie und bedeutete uns, zu den Aufzügen weiterzugehen. Ich wollte Addie bitten, einen Blick auf die Münze in unserer Rocktasche zu werfen, aber ich wagte es nicht. Hier gab es zu viele Augen, zu viele Fenster, zu viele schimmernde, spiegelnde Oberflächen, die jede unserer Bewegungen reflektierten.
Ein Muster aus grünen und gelben Blumen bedeckte den Boden des Aufzugs. Er verfügte auch über einen Spiegel; anstelle eines Mannes und eines Mädchens gab es beide gleich zweimal. Aber der Spiegel half. Er ließ den ohnehin geräumigen Aufzug noch größer erscheinen. Unser Herzschlag beschleunigte sich dennoch.
Mr Conivent drückte den Knopf für den zweiten Stock, und der Magen rutschte uns in die Kniekehlen, während der Aufzug nach oben sauste. Als Kinder waren wir jedes Mal hochgesprungen, wenn der Aufzug im Einkaufszentrum losgefahren war oder angehalten hatte, um den Sekundenbruchteil der Schwerelosigkeit und den gleichzeitigen Augenblick doppelter Erdanziehungskraft zu spüren. Es hatte uns von der Tatsache abgelenkt, dass wir in einer kleinen Metallkiste gefangen waren.
Ein Pling ertönte. Der Aufzug verlangsamte seine Fahrt und hielt an. Ich flüsterte Addie nicht zu: Hey, lass uns springen. Stattdessen standen wir sehr ruhig und sehr aufrecht da, bis die großen silbernen Türen aufglitten und Mr Conivent auf den Flur hinaustrat.
Der lange weiße Korridor erstreckte sich endlos in beide Richtungen, erhellt von einer grellen Neonleuchte nach der anderen. Der schwache Geruch nach Desinfektionsmittel haftete sämtlichen Oberflächen an wie der Tod einem Grabstein.
Eine Krankenschwester in einem grau gestreiften Kleid hastete uns entgegen. »Wenn man vom Teufel spricht«, sagte sie lächelnd und winkte einen Paketboten herbei, der hinter ihr stand. »Ich war schon in Sorge, ich müsste ihn überreden, zu warten.«
Der Bote war höchstens zwei oder drei Jahre älter als wir und von einer beeindruckenden, wenn auch schlaksigen Größe. Er hielt ein kleines braunes Paket in der einen Hand und streckte Mr Conivent mit der anderen ein Klemmbrett entgegen. Außerdem starrte er uns an. Zuerst waren es kurze Blicke, doch als Mr Conivent sich vorbeugte, um die Papiere auf dem Klemmbrett zu unterschreiben, wurden sie dreister.
»Vielleicht dürfte ich das nächste Mal einfach Dr. Wendle bitten, zu unterschreiben«, sagte die Krankenschwester. »Oder Dr. Lyanne …«
»Es wäre mir lieber, wenn Sie das nicht täten«, sagte Mr Conivent.
Die Krankenschwester nickte, aber das sahen wir nur aus dem Augenwinkel. Addie war zu beschäftigt, ihrerseits den Paketboten anzustarren. Seine Augen waren von einem kühlen, klaren Blau, wie die einer Puppe.
‹Hör auf damit›, sagte ich. ‹Er wird dich noch für verrückt halten.›
‹Das tut er doch sowieso schon›, sagte Addie. ‹Ich kann ihm genauso gut was zum Reden geben.›
Aber noch während sie das sagte, wandte sie bereits den Blick ab. Sie hatte zu viele Jahre damit verbracht, Aufmerksamkeit um jeden Preis zu vermeiden. Alte Gewohnheiten sind nur schwer abzulegen.
»Oh, hallo«, sagte die Krankenschwester, als bemerke sie uns zum ersten Mal. Sie war blass und dünn. Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln. »Wie geht es dir?«
»Gut«, erwiderte Addie.
Mr Conivent hatte dem Paketboten sein Paket abgenommen und wandte sich bereits zum Gehen. »Bringen Sie sie für heute Nacht in einem seperaten Zimmer unter, bitte, aber begleiten Sie sie zuerst zu Dr. Wendle.«
»Gewiss«, sagte die Krankenschwester. »Komm, Liebes. Wie heißt du?«
»Addie«, sagte Addie.
»Dann komm mit mir, Addie.« Sie ging den Flur in die entgegengesetzte Richtung hinunter, weg von Mr Conivent.
Addie folgte
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