Tyranninnen - Grausame Frauen der Weltgeschichte
eine herausragende Stellung.
Li, der den Rang eines Vizekönigs hatte, gehörte zu den reichsten Männern Chinas. Er kontrollierte nicht nur die Eisenbahnen, Schifffahrtslinien, Bergwerke, Gießereien und das Telegrafienetz, sondern besaß auch eine eigene Privatarmee und ein Heer von Geheimagenten. An zahlreichen ausländischen Firmen war er als Strohmann beteiligt.
Der General Jung-lu, der mit der Kaiserin Tsü-hsi entfernt verwandt war, soll auch ein intimes Verhältnis mit ihr unterhalten haben. Dieses Tête-à-tête soll seinen Anfang genommen haben, als die Kaiserin eines Nachts Zeugin eines Anschlages auf sein Leben wurde. Sie soll ihn in dieser Nacht zu sich genommen haben und von ihm schwanger geworden sein. Da sie aber schon ein halbes Jahr Witwe war, wurde dieses Kind, ein Mädchen, in den Palast des Generals gebracht und dort aufgezogen.
Nach einem Mordanschlag auf ihren Sohn ließ die Kaiserin Schu-schun, den Kanzler des verstorbenen Kaisers, und seinen Vertrauten, den Prinzen Yi, kurzerhand verhaften und hinrichten. In den Pekinger Hofkreisen, die eine wichtige Informationsquelle für die ausländischen Diplomaten und die internationale Presse waren, wurde das Gerücht verbreitet, Tsü-hsi habe zusammen mit ihrem Obereunuchen Li den Kaiser durch Gift ermordet. Der Hofarzt hatte dem Kaiser täglichzwei Teelöffel eines Tranks verschrieben. Aber auf Anraten von Tsü-hsi nahm er davon zwei Trinkschalen zu sich, bis seine Gesundheit durch die Überdosis in einen kritischen Zustand geriet. Um seinen Tod schnell herbeizuführen, soll man den verwirrten Kaiser genötigt haben, noch eine dritte Schale zu trinken, die seine Lieblingskonkubine extra für ihn zubereitet haben soll.
Der Grund für den Giftmord soll ein Dekret gewesen sein, das der später hingerichtete Kanzler den Kaiser zu unterschreiben überredet haben soll. Laut diesem Dekret wurde Tsü-hsi befohlen, nach dem Tod des Kaisers sofort Selbstmord zu begehen. Auch soll die Gattin des Kaisers, Tsü-an, ein Dokument erhalten haben, dass sie vor seiner Konkubine schützen sollte. Darin wurde Tsü-an das Recht zuerkannt, Tsü-hsi hinrichten zu lassen, wenn diese ihr Schwierigkeiten machte. Wahrscheinlicher ist aber, dass der Tod des opiumsüchtigen und alkoholabhängigen Kaisers die Folge der politischen Ereignisse war, unter deren Last er völlig zusammengebrochen war.
Einen Einblick in den Charakter dieser späteren Kaiserin gibt die Prinzessin Der Ling, die als Palastdame bei ihr tätig war:
„Ich hörte Ihre Majestät, wie sie zu den Eunuchen sagte, sie seien faul. Wir gingen zu ihr und sie erzählte uns: ‚Ich kann mich auf sie überhaupt nicht verlassen. Offenbar sind sie mal wieder ein paar Tage nicht bestraft worden und sie sehnen sich danach!‘ Dann lachte sie und sagte: ‚Ich will sie nicht enttäuschen und ihnen geben, was sie haben wollen.‘ Ich hielt diese Leute für Verrückte, dass sie sich nach einer Tracht Prügel sehnen sollten und war sehr neugierig, wer sie schlagen würde. Ihre Majestät wandte sich an mich und sagte: ‚Sind Sie schon einmal Zeuge einer solchen Maßnahme gewesen?‘ Ich bejahtedies, weil ich Zeugin war, wie Sträflinge in einem Gerichtsgebäude ausgepeitscht wurden, als ich noch ein kleines Kind war und in Shansi lebte. Sie sagte: ‚Das ist überhaupt nichts! Die Sträflinge sind nicht halb so schlecht wie diese Eunuchen; sie verdienen selbstverständlich eine schwere Strafe, wenn sie schlecht sind.‘ Eines Tages, als Ihre Majestät ihren Mittagsschlaf hielt, hörten wir ein furchtbares Geräusch. Es klang so wie das Abfeuern eines Knallkörpers. Ein solches Geräusch war völlig ungewöhnlich im kaiserlichen Palast, weil so etwas nicht in den Palast gebracht werden darf. In wenigen Sekunden waren alle Gänge im Palast von Menschen belebt, gleichsam, als ob ein Feuer ausgebrochen wäre. Ihre Majestät befahl den Eunuchen ruhig zu sein. Aber niemand hörte auf ihre Worte. Wir mussten Ihrer Majestät den gelben Sack bringen, der eine Anzahl von Bambusstöcken zum Verprügeln der Eunuchen enthielt. Überall, wohin Ihre Majestät ging, musste dieser Sack mitgenommen werden. Dann mussten wir auf ihren Befehl hin in den Palasthof gehen und die Eunuchen mit diesen Stöcken verprügeln. Es war ein komischer Anblick, als alle Hofdamen mit Stöcken auf die Eunuchen einschlugen. Die Kaiserin beobachtete den Vorgang von der Veranda aus, aber sie war zu weit entfernt, um das Lachen der Hofdamen zu hören. Wegen
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