Über den Fluß und in die Wälder
von vielen, vielen Dingen. Sag doch nicht so was.»
«Gewiß», sagte der Colonel. «Ich weiß, wie man beim Angriff kämpft, und wie man auf dem Rückzug kämpft, und was sonst noch?»
«Über Bilder und über Bücher und über das Leben.»
«Das ist leicht. Man sieht ein Bild einfach ohne Vorurteil an, und man liest Bücher mit einem so offenen Sinn, wie er einen zur Verfügung steht, und man lebt das Leben.»
«Bitte, zieh deinen Rock nicht aus.»
«In Ordnung.»
«Du tust alles, wenn ich ‹bitte› sage.»
«Ich hab auch manches ohne ‹bitte› getan.»
«Nicht sehr vieles.»
«Nein», stimmte der Colonel zu. «‹Bitte› ist ein hübsches Wort.»
«Bitte, bitte, bitte.»
«Per piacere. Es bedeutet zum Vergnügen. Ich wünschte, wir sprächen immer Italienisch.»
«Das könnten wir im Dunkeln. Obschon es Dinge gibt, die sich besser auf englisch sagen lassen.» Sie zitierte: «‹Ich liebe dich, meine letzte, wahrhafte und einzige Liebe.› – ‹Als der Flieder im Torweg in Blüte stand.› – ‹Und aus der Wiege, die ständig im Schwunge.› -‹Und kommt’s und holt’s euch, ihr Schweinehunde, oder ich schmeiß es weg.› All das würdest du doch nicht in einer anderen Sprache hören wollen, oder doch, Richard?»
«Nein.»
«Bitte, küß mich noch mal.»
«Überflüssige Bitte.»
«Ich würde wahrscheinlich selbst als überflüssige Bitte enden. Das ist das Gute an deinem baldigen Tod, daß du mich nicht verlassen kannst.»
«Das ist etwas derb», sagte der Colonel. «Bei diesem Thema muß dein wunderschöner Mund aufpassen, daß er dir nicht durchgeht.»
«Ich bin derb wie du auch», sagte sie. «Du möchtest mich doch nicht völlig anders haben, oder doch?»
«Ich möchte dich in keiner Weise anders haben, als du bist, und ich liebe dich wahrhaft, endgültig und ein für allemal.»
«Du sagst manchmal so nette Sachen und auf ganz präzise Art. Was ist eigentlich mit dir und deiner Frau passiert, wenn ich’s wissen darf?»
«Sie war eine ehrgeizige Frau, und ich war zu viel fort.»
«Meinst du damit, daß sie aus Ehrgeiz fort war, wenn du nur fort warst, um deinen Pflichten nachzukommen?»
«Jawohl», sagte der Colonel und suchte sich so wenig verbittert wie nur möglich an alles zu erinnern. «Sie hatte mehr Ehrgeiz als Napoleon und ungefähr so viel Begabung wie die Durchschnittsabiturientin.»
«Was immer das ist», sagte das Mädchen. «Aber wir wollen nicht von ihr sprechen. Verzeih, daß ich gefragt habe. Sicher ist sie traurig, weil sie nicht mit dir zusammen sein kann.»
«Nein. Sie ist zu eingebildet, um je traurig zu sein, und sie hat mich damals geheiratet, um in Militärkreisen zu avancieren und bessere Beziehungen anknüpfen zu können für das, was sie für ihren Beruf oder ihre Kunst hielt. Sie war Journalistin.»
«Aber die sind doch entsetzlich», sagte das Mädchen.
«Ja, ich bin deiner Meinung.»
«Aber wie konntest du nur eine Journalistin heiraten, die dann Journalistin geblieben ist?»
«Ich hab dir doch erzählt, daß ich Fehler gemacht habe», sagte der Colonel.
«Wir wollen über was Hübsches reden.»
«Das wollen wir.»
«Aber das war ja entsetzlich. Wie konntest du nur so etwas tun?»
«Ich weiß es nicht. Ich könnte es dir ausführlich erzählen, aber wir wollen das Thema lieber fallenlassen.»
«Ja, bitte, wir wollen es fallenlassen. Aber ich hatte keine Ahnung, daß es etwas so Schreckliches war. Jetzt würdest du doch so etwas nicht tun, nicht wahr?»
«Das verspreche ich dir, meine Süße.»
«Aber schreibst du ihr nie?»
«Natürlich nicht.»
«Du würdest ihr doch nichts über uns erzählen, sonst könnte sie darüber schreiben.»
«Nein. Früher hab ich ihr manches erzählt, und sie hat darüber geschrieben. Aber das war in einem anderen Land, und außerdem ist die Dirne tot.»
«Ist sie wirklich tot?»
«Toter als Phöbus der Phönizier. Aber sie weiß es noch nicht.»
«Aber was würdest du tun, wenn wir zusammen auf der Piazza wären und du sie sehen würdest?»
«Ich würde glatt durch sie hindurchsehen, um ihr zu zeigen, wie tot sie ist.»
«Ich danke dir sehr», sagte das Mädchen. «Weißt du, es ist eine entsetzliche Sache, wenn man als junges Mädchen, wenn man noch keine Erfahrung hat, mit einer anderen Frau oder der Erinnerung an eine Frau fertig werden soll.»
«Es gibt keine andere Frau», sagte der Colonel zu ihr, und seine Augen waren böse und voller Erinnerungen. «Und es gibt auch keine Frau in meinem
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