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Ueber die Wupper

Ueber die Wupper

Titel: Ueber die Wupper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Noske
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Platz. »Müssen den
Hof aufgeben.«
    Max hätte sich
beinahe neben den Stuhl gesetzt. »Was? Wie kommst du denn
darauf?«
    Wolle lehnte sich
zurück und faltete die Hände vor dem Bauch. »Seien
wir doch mal ehrlich, Max. Eigentlich hat uns doch all die Jahre
nur Irmgards Kohle über Wasser gehalten. Und da sie nun weg
ist, ist der Ofen eben aus.«
    »Unfug«,
sagte Max. »Wir verkaufen Lämmer, Eier, Äpfel,
Milch …«
    »Agathe ist vor
über einem Jahr gestorben«, sagte Wolle. »Seitdem
haben wir keine Kuh mehr. Und der andere Kram kostet mehr, als er
einbringt.«
    »Ich verkaufe
nicht«, sagte Max und machte ein Gesicht wie ein bockiges
Kleinkind. »Kommt überhaupt nicht in Frage. Das ist mein
Hof.«
    »Dich wird
keiner fragen«, sagte Wolle. »Du hast den Hof vor
fünf Jahren auf Irmgard überschrieben, weil sie das
Abstottern der Hypotheken übernommen hat. Sie wird ihn
verkaufen.«
    »Nur über
meine Leiche«, sagte Max.
    Wolle schüttelte
den Kopf und tippte sich an die Stirn.
    »Dir scheint das
gar nichts auszumachen«, sagte Max entrüstet.
»Mensch, du wohnst doch auch bald zehn Jahre
hier.«
    »Bin Fatalist,
weißt du doch.«
    »Nee,
nee«, sagte Max. »So nicht.«
    »Dann mußt
du dir was einfallen lassen.«
    »Worauf du dich
verlassen kannst«, sagte Max.
    Als erstes fiel ihm
das ein, was er eigentlich mit Wolle hatte besprechen wollen. Er
räusperte sich. »Ich war heute bei der Kripo. Der Fall
wird immer bizarrer.«
    »Soll
heißen?«
    Max blickte Wolle
direkt in die Augen. »Wo ist dein
Brustbeutel?«
    Wolle guckte erst
verständnislos, dann klopfte er an seine Brust.
»Hier.«
    »Zeig ihn
mir«, sagte Max.
    »Wozu?«
    »Zeig ihn
her.«
    Wolle schüttelte
den Kopf, knöpfte sein Leinenhemd auf und zog es mit beiden
Händen auseinander. »Zufrieden?«
    »Das gibt's doch
nicht«, sagte Max. Dann streckte er die Hand aus. »Gib
mal her.«
    »Was soll der
Quatsch?«
    »Bitte.«
    Kopfschütteln,
aber Wolle nahm ihn ab und warf ihn über den Tisch.
    Max begutachtete den
Beutel von vorne und hinten, sah sogar hinein. »Das ist doch
der, den du aus Indien mitgebracht hast?«
    Wolle
nickte.
    Max kniff die Augen
zusammen. »Was schätzt du, Wolle, wieviele Brustbeutel
wie den gibt es hier in der Gegend? Gleiches Leder, gleicher
Schnitt, gleiche Verzierungen, der gleiche geflochtene
Riemen.«
    »Zwei«,
sagte Wolle, ohne zu überlegen.
    Max starrte
entgeistert. »Wieso zwei?«
    »Weil ich damals
zwei mitgebracht habe.«
    »Zwei
gleiche?«
    »Völlig
identisch. Waren spottbillig.«
    »Was ist aus dem
anderen geworden?«
    »Den hab ich
verschenkt.«
    Für einen Moment
schloß Max die Augen. Dann fragte er mit ihm selbst fremder
Stimme: »An wen?«
    »An
Irmgard«, sagte Wolle. »Mensch, Max, ist dir nicht
gut?«

24
    »Geht's
wieder?« fragte Wolle. »Komm, nimm noch 'nen
Dicken.«
    Max hielt ihm die
Tasse hin. Mit den Zähnen zog Wolle den Korken aus der
Literflasche und schenkte einen gehörigen Schuß nach.
Selbstgebrannter Holunder. Max führte die Tasse mit beiden
Händen zum Mund. Und kleckerte trotzdem.
    Wolle setzte sich
wieder bequem. »Bin ja normalerweise nicht neugierig, Max.
Weißt du auch. Aber diesmal…«
    Max stellte die leere
Tasse auf dem Erdnußschalenhügel ab und schniefte.
»Ich bin fix und fertig, Wolle. Diese beschissene Geschichte
wächst mir langsam über den Kopf.«
    Wolle nahm den
Tabaksbeutel vom Gürtel und drehte zwei Zigaretten. Nach einem
Lungenzug bis zu den Hacken war Max in der Lage,
zusammenhängend zu erzählen. Berichtete, was sich an der
Bever und in Altenberg ereignet hatte und was es mit dem
Brustbeutel auf sich hatte. Wolle hörte schweigend zu. Nur ab
und an funkelte es in seinen listigen kleinen
Augen.    
    »Erst ich, dann
du, jetzt Irmgard«, sagte Max zum Schluß. »Wo
soll das nur enden?«
    »Total
verrückt«, sagte Wolle. »Nur kommt Irmgard nicht
in Frage. Planscht im Indischen Ozean.«
    »Weiß ich
doch. Aber wie kommt der verfluchte Beutel an den
Bahndamm?«
    »Soweit ich
weiß, hat sie ihn nie getragen.« Wolle flippte mit dem
Mittelfinger ein Stück Erdnußschale vom Tisch.
»War wohl nicht nach ihrem Geschmack.«
    Max ließ ein
paar Irmgard-Bilder Revue passieren lassen. »Aber dadurch
wird das Ganze nur noch mysteriöser.«
    »Vielleicht hat
ihn ihr jemand geklaut.«
    Im Hühnerstall
unter dem Küchenfenster hob plötzlich ein wildes
Geflatter und Gegacker an.
    »Ein
Fuchs?« fragte Max.
    Wolle schüttelte
sein zottiges Haupt. »Hätte Bessie

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