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Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Titel: Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Deutschkron
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Haut beschert hat, da erinnerte ich mich, daß ihresgleichen auch in meinem Leben eine Rolle gespielt hatten. Damals, als wir in Deutschland der Verfolgung preisgegeben waren. Leider, hatten sie gesagt, leider seien die Quoten, die zur Einwanderung in ihr Land berechtigten, in diesem Jahr schon überschritten. Es sei mir unbenommen, meinen Namen in die Warteliste einzutragen. Wie lange ich auf ein Visum warten müßte? Die Schultern bewegten die Arme zu einer Art bedauernder Geste. Eingeübt, täglich Hunderte von Malen ausgeübt. Kalt, doch wenigstens freundlich nach außen hin. Die Tränen des anderen, die sichtbaren und die unsichtbaren, die wollten sie nicht sehen. Vielleicht um ihrer selbst willen. Sie konnten ja nicht helfen. Andere hatten die menschenfeindlichen Gesetze gemacht. Politiker, die die Angst ihrer Wähler vor dem Fremden und seiner möglichen Konkurrenz in kalte Ablehnung ummünzten. Ihrer Stimmen wegen. Was scherten sie die anderen, die Menschen in Not? Nichts scheint sich geändert zu haben. Nichts, gar nichts. Die Vergangenheit, die schreckliche, wurde kein Lehrstück.
Sie blieben, was sie waren
    Es mag komisch klingen, aber erst in Bonn, Jahre nach dem Ende des Dritten Reiches, lernte ich in der Wolle gefärbte Nazis kennen. Ich konnte sie als Deutschland-Korrespondentin einer israelischen Zeitung auch nicht meiden. Denn sie saßen überall – in den Parteien, in den Verwaltungen, in den Ämtern. Daß sie ihre politischen Werte aus dem Nationalsozialismus bezogen hatten und nicht aus der Demokratie der Weimarer Republik, ist sicher unbestritten. Da der eine des anderen Hehler war, konnten sie auch bleiben, was sie waren, hatten keine Veranlassung, sich entscheidend zu ändern. Sie und die, die sie einstellten, fanden es offenbar völlig in Ordnung, daß sie nun am Aufbau einer von den Siegermächten verordneten Demokratie mitwirkten. Dabei kann nicht geleugnet werden, daß sie die demokratischen Spielregeln aufs genaueste befolgten. Sie hielten sich an Vorschriften und Regeln.
    Da gab es keine Deutungen, keine Auslegungen, es galt nur die Vorschrift. Etwa so wie der Bundestagsabgeordnete S., der sich im Krankenhaus die Zeit damit vertrieb, die Nummern der vor dem Haus falsch geparkten Autos zu notieren, um sie später der Polizei anzuzeigen. Gesetze waren eben heilig und wurden ohne Murren befolgt.
    An uns, die Überlebenden, die wir den Mördern nur durch Zufall entkommen waren, richtete man immer wieder das Wort: „Vergeßt, so vergeßt das, vergeßt das doch!“ Der Satz schien ein Echo zu haben. Und es war mir, als ob höhnisches Gelächter ihn untermalte. Während ich erstarrte, den Gedanken Einhalt gebietend, die Maske fester ziehend. Nein, nein, ich will auch hier nicht davon sprechen, nicht von den Qualen, nicht von den Grausamkeiten, nicht davon, warum es in meinem Hause nie einen Gaskocher oder einen Gasofen geben wird. Aber vergessen kann ich die Schuld nicht. Meine Schuld. Da saß ich an jenem 27. Februar 1943 in einem mehr oder weniger sichtbaren Versteck in Berlin-Halensee und sah zu. Sah zu, wie man sie holte, die letzten Juden von Berlin, sie herauszerrte aus ihrem letzten warmen Bett, sie in die Wagen stieß zu ihrer letzten Reise, sie verhöhnte als letzten Gruß ihrer einstigen Mitbürger. Kein Aufschrei war hörbar, kein Aufbegehren, nur die Augen waren weit aufgerissen vor Entsetzen. In ihrem tiefsten Innern wußten sie wohl, daß dies das Ende einleitete, ihr Ende, unweigerlich. Und ich, ich sah tatenlos zu, weil ich versuchte, ihrem/meinem Schicksal zu entrinnen.
Und die Deutschen?
    Der Ost-West-Konflikt wurde eine der Ursachen dafür, daß dieses neue, wenig gewandelte Deutschland viel zu früh rehabilitiert und in die westliche Völkergemeinschaft aufgenommen wurde. So interpretierte Heinrich Böll die Entwicklung. Anfangs hatte die Masse der Deutschen noch nachdenklich zugeschaut, wie die Alliierten bemüht waren, jeder auf seine Weise, eine neue Ordnung in Deutschland zu errichten. Dann suchten sie sich zu arrangieren. Als der Kalte Krieg die Allianz der Sieger mehr und mehr auseinanderriß, glaubten die westlichen Staaten, daß Deutschland in diesem Konflikt eine Rolle zu übernehmen habe. Auf ihrer Seite natürlich. Sie entließen sogar die von ihnen als Kriegsverbrecher vor den Nürnberger Gerichten Verurteilten vorzeitig aus den Gefängnissen, weil sie meinten, den Deutschen damit gefällig zu sein. Und die Deutschen? „Mit einer gewissen Schadenfreude, mit

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