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Ufer von Morgen

Ufer von Morgen

Titel: Ufer von Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Manuskripte abzufangen und sie ungelesen mit einem vorgedruckten Ablehnungsschreiben zurückzuschicken.«
    »Ich nehme an, jemand hat auch dafür gesorgt, daß ich mich auf der Party betrank und den Vorstand meiner Abteilung beleidigte«, sagte Wilson schroff.
    »Nein«, entgegnete Brewster. »Das haben Sie ganz auf eigene Faust gemacht. Wir haben den Prozeß angekurbelt. Durchgezogen haben Sie ihn selbst.«
    »Und Sie sitzen hier«, sagte Wilson, »wie eine schwarze Spinne in einem Netz, das über die ganze Welt reicht. Sie manipulieren, sondieren, treiben an, verändern.«
    »Richtig«, stimmte ihm Brewster zu. »Ich schmiede Ränke, leiste Vorschub, berechne. Ich habe Sie, Wilson, manipuliert.«
    »Na schon, Sie haben mich aus dem Trott gebracht. Aber wo stehe ich jetzt?«
    »Sie sollten in der Lage sein, sich die Frage selbst zu beantworten.«
    »Wirklich?«
    »Allerdings. Sie sind aus dem schläfrigen, akademischen Dasein aufgewacht, in dem Sie sich verfangen hatten. Sie sind jetzt unabhängig. Tut Ihnen das leid?«
    »Aber nein«, sagte Wilson. »Ich trat auf der Stelle. Und ich wollte mir einreden, ich sei glücklich, wenn ich Lehrstuhlinhaber anlächelte und auf eine Beförderung hoffte. Und jetzt stehe ich auf eigenen Beinen. Keine Stelle, keine Unterstützung, gar nichts. Höchstens noch das Institut.«
    »Genau. Sie haben die Prüfung des Instituts bestanden. Sie hatten Streß auszuhalten, Sie krümmten sich, sind jedoch nicht zerbrochen. Das heißt, Sie sind ein Mensch, wie wir ihn brauchen können. Und Sorine auch.«
    »Wie wissen Sie das? Haben Sie sie auch geprüft?«
    »Indirekt über Sie. Sie hat Sie genommen, wie Sie sind. Man muß sagen, daß Sie in letzter Zeit ziemlich unerträglich waren. Sorine konnte sich aber ungefähr denken, in welcher Krise Sie steckten. Sie ist bei Ihnen geblieben und wird weiter bei Ihnen bleiben.«
    Wilson war einen Augenblick ganz still. Er versuchte immer noch, den Konflikt in seinem Geist aufzulösen. Es war gut, dachte er, daß sich die Gesellschaft um die Menschen kümmerte und sie von Unsicherheit und Angst befreite. Betrachtete man diese Verhätschelung der Mittelmäßigen vom langfristigen Standpunkt biologischer Evolution aus, dann war das schlecht. Gut… schlecht. Hatten diese Worte wirklich eine Bedeutung? Es kam anscheinend auf den Zusammenhang an.
    Er mühte sich mit dem Gedanken ab. Ein Organismus kommt nur durch Konflikt und Lösung weiter. Warme, gemütliche Sicherheit macht unbeweglich. These, Antithese, Synthese, in ihnen liegt der Schlüssel jeglichen Fortschritts. All die Werte, die Wilson automatisch für liberal gehalten hatte, kamen ihm jetzt falsch vor. Sie trieben die Menschheit in einen Sumpf aufgezwungener Mittelmäßigkeit und nicht zu den Sternen. Die Erkenntnis betäubte ihn.
    »Probieren Sie nicht, das alles auf einmal klarzubekommen«, sagte Brewster sanft. »Es ist schwer, die Wahrheit in einem Stück zu schlucken. Aber Sie werden es schon schaffen.«
    »Na schön«, nickte Wilson. »Ich bin jetzt im Bild. In den letzten achtzig Jahren sind wir so weit in Richtung persönlichen Wohlergehens gegangen, daß wir das Bedürfnis nach dynamischer Intelligenz praktisch ausgetrampelt haben. Das Institut möchte also diesen Prozeß aufhalten, bevor er nicht mehr rückgängig zu machen ist. Auf der ganzen Welt suchen Sie junge Leute aus, bilden sie zu Führern heran, bringen sie in Schlüsselstellungen und bauen ein Netz von – nun, von Königen, die gleichzeitig Philosophen sind, auf. Stimmt das?«
    »Das ist der Kern unseres Programms«, pflichtete ihm Brewster bei.
    »Und ich? Welche Arbeit hat das Institut für mich? Soll ich mich für den Kongreß aufstellen lassen?«
    Brewster lachte. »Wohl kaum. Wenn Sie für eine wichtige Position so hervorragend geeignet sind, warum Sie dann auf eine andere setzen? Ihre Arbeit besteht darin, Professor der Soziologie zu sein.«
    Wilson sah ihn mit offenem Mund an. »Was? Nach all den Anstrengungen, die Sie unternommen haben, um mich meine Stelle verlieren zu lassen?«
    »Sie hatten es falsch angepackt, waren nicht am richtigen Platz. Gut, Sie zerreißen jetzt, was Sie bis jetzt als Doktorarbeit geschrieben haben, fangen von vorn an, schreiben über das, was Sie gesehen haben. Daß die Arbeiter nicht unglücklich sind, daß es ihnen noch nie so gut ging. Schreiben Sie die Arbeit, und machen Sie Ihren Doktor!«
    »Aber nach der Auseinandersetzung mit Griggs –«
    »Griggs kann und wird Sie nicht im

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