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Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Jedenfalls glaube ich nicht, dass ich in irgendeiner Weise daran beteiligt war, irgendwie müssten sich verschiedene Dinge dann anders anfühlen.
    Bevor ich gehe, werfe ich noch einen Blick auf das Bett. Schleicher ist wach und beobachtet mich, wortlos.
    »Danke für die Übernachtung«, sage ich beiläufig. »Übrigens – wir haben gar nicht von dem Wochenendseminar von deinem Club gesprochen...«
    »Kommst du?«, fragt er mit belegter Stimme.
    Ich sage, es tue mir Leid, aber ich sei bei Professor Lindtorff eingeladen, kleiner Kreis...
    »Das ist so eine Gelegenheit, die kannst du nicht einfach sausen lassen, sonst ist der Fahrstuhl weg.«
    »Schade«, sagt Schleicher.
     
    Freitag, 29. November
    In der Cafeteria der Neuen Aula treffe ich die blonde Helga, ich hole am Tresen zwei Kaffee für uns... Als ich damit an den Tisch zurück komme, steht dort Dunstheimers quelläugiger Assistent, hat einen kanariengelben Pullunder an und scharwenzelt an die Blonde hin, deren Gesichtsausschlag ganz neurodermitisch wird vor Entzücken. Sie will uns einander vorstellen, ich nicke ihm nur zu, er nickt zurück, zögernd, als ob er sich nicht ganz sicher sei, und betrachtet mich, als sei ich ein Insekt, das es eigentlich nicht geben dürfe, nicht mehr geben dürfe, ganz sicher weiß er, dass ich derjenige bin, der die zwei Punkte bekommen hat, es sind schließlich Dunstheimers Assis, die die Noten geben, nicht Dunstheimer selbst, vielleicht dass der Assi dem Prof eine einzelne Arbeit gezeigt hat: »Da, schauen Sie nur! Wie einer überhaupt keine Ahnung haben kann...«, und jetzt lebe ich noch, bin nicht vor Scham im Orkus versunken, nicht vernichtet von niederschmetternden zwei Punkten.
    Mir fällt es ein, auf die Uhr zu schauen und zu sagen: »Ach Gott! Ich muss dringend Lindtorff anrufen...«
    Und renne davon, und der Kaffee bleibt ungetrunken zurück.
    Samstag, 30. November
    Es ist später Vormittag, die Alte Frau ist besorgt, es geht dir nicht gut, ich sehe es doch, noch immer die Angina? Vielleicht solltest du dir doch die Mandeln... Ich halte es nicht aus und gehe ins »17a«, um Zeitung zu lesen und möglichst niemanden zu sehen, kaum habe ich eine Zeitung gefunden, winkt mir aus einer Ecke Puck zu, müde, mit einer Geste wie früher, als hätten wir beide jetzt eine Französischarbeit zu schreiben. Ich setze mich zu ihr.
    T: »Du siehst nicht aus, als ob du guten Sex gehabt hättest.«
    P: »Es geht.« Pause. »Du machst mal wieder nette Komplimente.«
    Dann stellt sie fest, dass ich auch nicht so besonders gut drauf sei, und ich antworte, nein, das sei ich nicht, ich hätte gestern eine Klausur zurückbekommen.
    P: »Und du hast sie vergeigt?«
    T: »Es geht. Ein oder zwei Punkte mehr hätten es schon sein können. Aber verstecken muss ich mich damit nicht.«
    P: »Auf Deutsch hast du sie also ganz jämmerlich in den Sand gesetzt.«
    Dann trinkt sie noch einen Kaffee, und es geht ihr auch schon wieder besser, schließlich fällt ihr ein, dass sie ein paar CDs kaufen will, und ich geh mit, warum gehe ich mit? Ich weiß es nicht. Weil ich nichts anderes zu tun habe. Weil – egal. Im Plattenladen findet sie lange nichts und greift sich schließlich ein Album von Chuck Berry, kaum die Musik für den GlucksKasten, denke ich, aber sie will das dann gleich hören, und ich tappe wieder mit ins Kreuzviertel. In ihrem Dachzimmer – neorustikal, mit Balken, um sich den Kopf dran anzustoßen – ist es warm, und man hat eine schöne Aussicht über die Dächer, wenn man nicht bloß Sterne sieht von den Balken. Ihre Stereoanlage ist ziemlich großkotzig und macht einen gewaltigen Krach, und als sie das eine Teil einspielt, das man aus dem Kino kennt, und dazu aber schon sehr heftig mit den Hüften wackelt, wird es mir irgendwie eigentümlich, so ist das Leben, dass man es gar nicht sagen kann. Dann ist das Stück vorbei, Puck guckt in ihrem Kühlschrank nach, ob sie ein Bier für mich hat, und bringt mir ein Tuborg, selber nimmt sie nur ein Glas Mineralwasser, weil sie am Abend wie der im GlucksKasten jobben muss. Ich mach das Bier auf und schau mir ihr Bücherregal an, und Puck fragt mich, sag mal, als du im Frühjahr mit dem Rad in Südfrankreich gewesen bist, hast du da eigen tlich keine aufgerissen?
    T: »Nein, eigentlich nicht.«
    Puck: »Und uneigen tlich?«
    Und während ich nun doch einen Blick auf die Schachtel Chesterfield werfe, die im Regal liegt, erzähle ich, wie ich im April in der Bucht von La Ciotat zu schwimmen

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