Um die Wurst (German Edition)
Generation.«
»Und was willst du werden?«
»Polizist.«
»Dann würde ich mich von den Flugblättern fernhalten. Vorstrafen machen sich nie gut in der Bewerbung.«
»Wir tun nichts Verbotenes. Wir demonstrieren und machen auf Unrecht aufmerksam.«
»Was für Unrecht? Dass Tiere gegessen werden und man sie dafür vorher töten muss? Willst du zur Tierpolizei?«
»Warum?«, fragte das Rasta-Mädchen mit brüchiger Stimme, wischte sich die Tränen von den Wangen und sah Belledin fragend an. Er reichte ihr die Hand und half ihr hoch.
»Das versuche ich herauszukriegen. Könnt ihr euch vorstellen, wer so etwas gemacht haben könnte? Außer allen Fleischfressern? Hatte Erik Schwarz vielleicht Feinde, von denen ihr wisst?«
Die vier warfen sich Blicke zu.
»Und?«
»Mir fällt keiner ein«, sagte der Türke.
»Und euch beiden?« Belledin ging einen Schritt auf die zwei Schweigsamen der Gruppe zu. Sie sahen blass aus. Hockten zu viel vor dem Computer und der Spielkonsole. Eindeutig. Dass die Nachricht Ursache für ihre Blässe sein konnte, schloss Belledin aus.
Kopfschütteln. Von beiden. Kein Wort.
»Könnt ihr auch reden? Was macht ihr, wenn euch der Gugel nach dem Consecutium temporum abhört? Schweigt ihr da genauso?«
»Consecutio temporum. Es heißt Consecutio«, sagte der Türke.
»Und wie heißt du?«
»Olcay Kantar.«
»Okay. Olcay. Ich ernenne dich hiermit zum Hilfssheriff. Wenn du irgendetwas hörst oder dir etwas einfällt, das mir weiterhilft, dann meldest du dich unter dieser Nummer.« Er reichte ihm eine Visitenkarte. Olcay nahm sie entgegen, las und steckte sie ein. Dann reichte er Belledin ebenfalls eine Karte.
Belledin las laut: »Olcay Kantar. Nachhilfe in Latein und Mathe.« Er schürzte die Lippen und sah Olcay listig an. »Ich werde darauf zurückkommen.« Er ließ die Gruppe zurück und ging zu seinem Wagen, entriegelte ihn per Elektroschlüssel und stieg ein.
»Halt. Warten Sie.« Es war das Mädchen mit den Rastas. »Fahren Sie nach Freiburg?«
Belledin sah sie wortlos an.
»Können Sie mich mitnehmen?«
»Fährt die Bahn nicht mehr?«
»Ist mir gerade zu stressig, schwarzzufahren.«
»Man kann auch Karten kaufen.« Er musterte sie. Sie kam bestimmt aus gutem Haus. Der Look war Trotz und Mode. Annette hatte auch mal so eine Phase gehabt. Sie hatte sogar Joints geraucht und sich mit Piercings durchlöchert. Belledin war froh, dass es nach einem Jahr vorbei gewesen war. Nur das Ohrloch, in das man einen Weinkorken stecken konnte, war geblieben. »Wenn du es nicht eilig hast, kannst du mitfahren. Ich muss erst noch woandershin.«
Sie fuhr sich mit der Hand durch den Filz der Rastas. Eine runde Stirn kam zum Vorschein. Belledin startete den Wagen und setzte rückwärts zurück. Sie lief um den Audi herum, riss die Beifahrertür auf und sprang in den Wagen.
»Wohin fahren wir?«
»Münsterberg. Und geraucht wird hier drin nicht.«
DREI
Fünfmal hatte Bärbel versucht, Killian telefonisch zu erreichen. Immer war die Mobilbox angesprungen. Also setzte sie sich in ihren Beetle und fuhr nach Oberrotweil. Killian musste ihr jetzt helfen. Wenn er sich noch immer weigerte, dann wäre er für sie gestorben. Bei dem Gedanken stiegen Tränen in ihr hoch. Es waren Tränen der Wut. Am liebsten wäre sie Gugel an die Gurgel gegangen. Sie konnte Belledin schon nicht leiden, aber die schwelgende Selbstgefälligkeit des Direktors brachte sie auf die Palme. Da war ein Kollege brutal ermordet worden, und Gugel wusste nichts Besseres, als sie vor Belledin in Latein zu unterrichten. Dann die Anspielung auf ihr Verhältnis mit Holger. Als ob Gugel die Gruppendynamik des Kollegiums im Auge hatte. Lächerlich. Dazu war er überhaupt nicht fähig. Irgendjemand musste ihm das gesteckt haben. Es gab einige Grüppchen in der Lehrerschaft, die sich untereinander nicht hold waren. Da war jeder froh, wenn er dem anderen eins auswischen konnte. Dieser Mikrokosmos Schule, dieser Staat im Staat, winkeladvokatisch geführt von Gugel, war eine Schlangengrube geworden.
Das Sabbatical hatte überhaupt nichts gebracht. Sie war wieder mittendrin im Scharmützel. Vielleicht sogar noch ärger als zuvor. Das Rad hatte sich an der Schule weitergedreht. Kollegen, auf die sie vor einem Jahr in Sachfragen wenigstens noch halbwegs hatte bauen können, waren mittlerweile ins andere Lager gewechselt oder hatten eigene Grüppchen gebildet.
Bärbel war sich zu Beginn des Schuljahrs vorgekommen, als wäre sie überhaupt
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