umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition)
schon wieder. ’n bisschen dehydriert.«
War der nicht eben erst weggegangen?
»Was war denn … Handy …?«
»Es hat geklingelt, und ich bin rangegangen. Kannst dich wieder beruhigen. Dieser Dr. Herzig ist auf dem Weg hierher. Du sollst auf ihn warten.«
Der Arzt schüttelte meine Hand und ging. Elli schloss hinter ihm die Wohnungstür, kam zurück ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch. »Prinzesschen, Prinzesschen … Wat machst du bloß für Sachen?«
Sie schlug ihre Beine übereinander und zurrte den Morgenmantel fest um sich. Ihre rechte Fußspitze wippte, und die Federn auf ihrem Pantöffelchen schwebten im Takt auf und nieder – wie die zarten Tentakel einer Seeanemone.
Ich richtete mich mühsam im Sessel auf und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. »War der Arzt nicht schon gegangen?«
Elli schob mir die Teetasse hin und sagte: »Du halluzinierst. Trink mal lieber was.«
Ich tat, was sie sagte, Widerstand war sowieso zwecklos. Kaum hatte ich eine Tasse geschafft, goss Elli mir nach – eine Tasse nach der anderen. Earl Grey sei Dank, konnte ich ein paar Minuten später wieder klarer denken. »Elli, kann ich mal dein Telefon benutzen? Ich möchte Berti anrufen.«
»Hab ich schon gemacht«, sagte sie. »Und der Arzt hat ihr alles erklärt.«
»Du hast …? Ich meine …«
»Ja, ich habe … Wir kennen uns. Wir mögen uns nich besonders, aber in so einer Situation … Da pfeift man auf alte Kriegsschauplätze, oder?«
»Wie hat sie reagiert?«
Elli zuckte mit den Schultern, und die Seide von ihrem Morgenmantel raschelte leise. »Wie Berti eben. Immer alles im Griff – und keiner weiß, wie es in ihr drin aussieht. Ich weiß nich, ob die noch wat mit dem hatte.«
»Mit dem hatte? Mit Borowski?«
»Jaahaa …, mit Borowski. Wir waren auch mal jung. Schwer zu glauben, is aber so. Die Berti denkt, ich hätt’ ihr den damals ausgespannt. Dabei war sie es, die den Borowski damals am Kino versetzt hat. Bonnie und Clyde … Is jetzt auch scheißegal.«
»Ihr könnt euch nicht ausstehen, oder?«
»Na ja. Wir haben Jahrzehnte nich mehr miteinander geredet.«
»Und wann ist der Borowski hier aufgetaucht?«
»Heute Nachmittag. Den hatte ich auch schon jahrelang nich mehr gesehen. Und plötzlich steht der hier vor der Tür und sieht aus, als wär’ der Teufel hinter ihm her.«
»Was der Wahrheit ziemlich nahekommt.«
Und in der Zwischenzeit war er etwa stundenlang durch die Kälte geirrt? Hatte sich Borowski von seiner eigenen Angst, vor was auch immer, zu Tode hetzen lassen?
»Der hat mir eine Räuberpistole nach der anderen erzählt … Ich hab dem kein Wort geglaubt. Aber egal, hab ich gedacht, der beruhigt sich wieder.«
»Dann kennst du den Herrmanns wohl auch?«
»Natürlich. Borowski hat gesagt, der liegt im Koma. Is dat wahr?«
»Stimmt. Vom Auto angefahren. Damit hat der ganze Terz angefangen. Oh Mann, hab ich Kopfschmerzen. Ich weiß gar nix mehr … Und ich will auch gar nix mehr wissen.«
»War so schlimm, inne Karibik?«
Elli schob mir die Kekse über den Tisch und goss mir wieder Tee nach.
»Karibik? … Welche Karibik?«
»Sach nich, du bist …«
»Ich bin über das Damenklo im Düsseldorfer Flughafen nicht hinausgekommen.«
»Hallöchen Popöchen … Woran lag’s?«
»Jedenfalls nicht am Fellatio. Es war … genau genommen … Pommes.«
»Was is das denn für ’ne Sexpraktik? Hab ich was verpasst?«
Elli stopfte sich drei Kekse auf einmal in den Mund.
»Na, Sex ist es nicht gerade, aber es ist eine Intimität – und wenn man sieht, wie …«
»Intimität«, kreischte Elli, und die Kekskrümel verteilten sich auf dem Couchtisch. Ich fühlte mich plötzlich entsetzlich deplatziert. Was tat ich hier eigentlich? Im Morgengrauen in Ellis Wohnung? Über Pommes und Intimitäten reden … Elli schlug sich prustend auf die Schenkel. Der Pudel sprang auf die Glasplatte, um die Krümel zu erwischen, fand aber mit seinen kleinen Pfoten keinen Halt und rutschte, alle viere von sich gestreckt, auf der anderen Seite wieder herunter.
Mittlerweile bebte Elli vor Lachen und mit ihr die ganze Couch. Aus den tiefsten Tiefen meines Bauches rollte ein Grollen heran. Der Tee stieg mir in die Nase, und ich konnte den Lachkoller nicht mehr aufhalten. Tee schwappte auf meine Hose. Der Hund guckte verdattert von Elli zu mir und wieder zurück. Wir prusteten und gackerten, wieherten und giggelten und konnten nicht mehr aufhören. Der Pudel tanzte auf den Hinterbeinchen und
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