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umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition)

umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition)

Titel: umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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beherrschen.«
    »Bei dir kann man nie wissen«, sagte Berti, aber sie grinste dabei, und ich grinste zurück.
    »Also, wie kann der Herrmanns sich so teure Sachen leisten?«, fragte ich.
    »Muss du gerade fragen«, maulte Borowski. »Wir haben auch ma’ bessere Zeiten gesehen. Kannze glauben.«
    »Der eine kauft für seine Kohle eben Schuhe und Klamotten, der andere investiert in ’n anderes Hobby«, sagte Berti.
    Auf der anderen Seite des Kanonenofens, schräg vor dem Regal, stand eine dunkelgrüne, abgewetzte Schlafcouch und daneben eine Stehlampe. Darüber hing ein goldgerahmtes Foto. Es zeigte Winston Churchill, in der üblichen Pose mit seiner Zigarre und dem Bowler auf dem Kopf. Das Foto war signiert. Ich versuchte, die Widmung zu entziffern: To Mary, 1937. Wer auch immer diese Mary gewesen sein mag.
    In der Küchenecke, die mit einem staubigen, braunen Vorhang vom Rest des kleinen Zimmers abgetrennt werden konnte, gab es noch jede Menge kleinerer Fotos zu sehen. Herrmanns in verschiedenen Phasen seines Lebens, aber immer dieselbe Szene: Glücklich grinsend, wie Churchill eine Zigarre im Mundwinkel, hielt er ein Pferd am Zügel. Mal hatte das Pferd einen Kranz mit einer Schleife um den Hals, mal hielt Herrmanns einen Pokal in der Hand und strahlte das Pferd an. Irgendwo im Hintergrund konnte man unscharf noch einen kleinen Mann in Rennkleidung erkennen, umringt von einer Schar exquisit gekleideter Menschen.
    »Wo ist das hier aufgenommen?«, fragte ich Borowski.
    »Australien.«
    »Was? Australien? Herrmanns war in Australien?«
    »Herrmanns war Trainer und deswegen überall, wo Pferde Rennen gelaufen sind, verstehsse?«, sagte Oma Berti.
    »Und das hier? Wo ist das aufgenommen?«
    »Deauville, Clairefontaine.«
    Ich kam zu einem weiteren Bild und zeigte auf einen kleinen Mann, der stolz neben Herrmanns stand. Beide hielten die Zügel eines Pferdes in der Hand, dessen großer Kopf sie hoch überragte. Borowskis Knollennase stand größenmäßig der des Pferdes in nichts nach. »Bist du das, Borowski?«
    »Ja. Da waren wir in England. Ende der 60er«, sagte er mit Wehmut in der Stimme.
    »Hast du gewonnen?«
    »Allerdings. Ich bin eigentlich nur der Pferdewirt, verstehsse, aber an dem Tag war der Jockey plötzlich mit Magen-Darm außer Gefecht. Et ging nich anders, also bin ich rauf auf den Sulky. Der Herrmanns war ja viel zu schwer für so’n Trabrennen, und wat soll ich dir sagen? Ich hab gewonnen. Nix Großes, aber gewonnen. Nachher hat der Herrmanns gesacht, dat hätte der Gaul auch alleine gemacht. Blödmann.«
    Oma Berti warf Borowski einen scharfen Blick zu. Aber Borowski war aufgestanden und hatte sich neben mich gestellt. Froh darüber, dass er einen Grund hatte, Bertis Inquisition über Herrmanns’ Treiben in der Nacht vor drei Tagen entronnen zu sein.
    Er zeigte mit seinem nikotingelben Finger auf ein weiteres Foto. Es war ein bisschen verwackelt, aber man konnte trotzdem erkennen, wer da abgelichtet war. Niemand Geringeres als Queen Elizabeth II. von England höchstpersönlich. »Hab ich gemacht«, sagte Borowski stolz. »Sie hat ihm sogar die Hand gegeben, aber dat is nich drauf, weil da war mein Film alle.«
    »Wahnsinn«, sagte ich. »Ihr seid ja ganz schön rumgekommen. Deswegen auch der Koffer.«
    »Welcher Koffer?«, fragte Berti. »Du meinz doch nich etwa dat Riesending?«
    »Doch«, sagte Borowski, »der große Koffer, wo is der überhaupt?«
    Berti wusch die Kaffeetassen in dem winzig kleinen Spülbecken ab und sagte: »Guck ma in’n Schuppen.«
    »Brauchst du nicht, Borowski. Der Herrmanns ist ja an dem Abend mit diesem riesigen Koffer auf der Hattinger Straße unterwegs gewesen. Hab ich doch selbst gesehen.«
    »Wat denn, du has den gesehen?!«
    Berti und Borowski guckten mich fragend an. Also berichtete ich, was ich in jener Nacht beobachtet hatte, und führte sehr sorgfältig aus, dass ich ihm angeboten hatte, ihn kostenlos nach Hause zu bringen. Bei der Erwähnung des Koffers und des Flachmanns wurde Borowski bleich.
    »Also, so wat. Und keiner hat den Koffer gefunden?«, wollte Berti sofort wissen.
    »Der … Koffer …«, hauchte Borowski, »der hat mal ’ner sehr hochgestellten Persönlichkeit gehört. Sacht jedenfalls der Herrmanns.«
    »Angeblich vonne Auktion in London«, schob Berti hinterher.
    Ich nahm ein Foto von der Wand. Darauf war der Koffer zu sehen. Borowski und Herrmanns, fröhlich in die Kamera grinsend, elegant in Anzügen im Stil der 50er-Jahre, standen auf

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