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umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition)

umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition)

Titel: umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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sehen, dass das Moleskine- Notizbuch auf der Fensterbank im Regen auf die doppelte Größe aufgequollen war. Ich rutschte mit meinem Stuhl vor das Fenster, damit der Knipser es nicht sehen konnte.
    Bis die kleine Bialetti anfing zu gurgeln, schwiegen wir verlegen. Er setzte sich auf die andere Seite des Tisches und fing an, meine Rabattkupons zu sortieren. Seine neuen Schuhe hatte er vorsorglich angelassen, obwohl keine Gefahr bestand. Der Kater war nirgends zu sehen. Wahrscheinlich hatte Raoul ihm schon ein Kissen in die Küche gelegt.
    Endlich war der Kaffee fertig, und nach dem ersten Schluck sagte der Knipser: »Kriege ich eine Antwort?«
    NEIN!, bellte meine innere Stimme und versuchte, das Kommando über meine Stimmbänder zu übernehmen.
    »Vielleicht«, sagte ich spontan. »Obwohl ich nicht weiß, ob ich mir nicht mein eigenes Grab schaufele. Oder?«
    »Hey, sei mal nicht so pessimistisch. So kenne ich dich gar nicht.«
    »Ich hoffe, ich erkenne dich in den nächsten zehn Jahren auch nicht wieder.«
    »Da ist sie ja wieder, die gute alte gemeine Maggie.«
    »Sag mir einfach nur, warum. Und lass es bitte plausibel klingen, okay?«
    »Ich weiß nicht, warum. Ich weiß einfach nur, dass es das Richtige ist. Mehr kann ich nicht sagen. Ich vermisse dich. Ehrlich. Ich hab dich die ganze Zeit vermisst. Ich … Was soll ich noch sagen, Mensch …«
    Tja, was soll man zum Thema Drama, Liebe, Wahnsinn auch schon viel argumentieren? Da fehlen selbst dem Hartgesottensten die Worte. Ich wollte gerade ein ›Ja ich komme mit‹ über meine Lippen schieben, da sagte er: »Wie du hier lebst, und so … Das ist doch gar nicht … dein Stil.«
    Mein was?! Und jetzt gab es für meine innere Stimme kein Halten mehr. Sie drängelte sich an mir vorbei und übernahm das Kommando.
    »Nicht mein Stil? Witzig. Mein Stil ist gerade, bis Oberkante Unterlippe in der Scheiße zu sitzen. Ich hab keinen Knopf auf der Naht, meine Wohnung ist eine Baustelle, weswegen ich auf die Gnade anderer Leute angewiesen bin, und du redest über Stil?«
    »Entschuldige, ich meine nur … Ich finde …«
    »Was? Ich sollte es besser haben mit 38? Ja?! Finde ich auch – lässt sich aber grad nicht einrichten. Sorry, falls der Anblick meiner prekären Situation dein Stilempfinden stört. Du musst ja nicht hingucken.«
    »Entschuldige, das wollte ich damit doch gar nicht sagen. Ich wollte sagen … Komm einfach mit und mach dem Spuk hier ein Ende.«
    »Spuk? Das hier, mein Lieber, ist meine Realität. Schon mal von gehört? Realität! Was glaubst denn du, wie ich mich mit dem ganzen Hallass fühle? Und das seit fast zwei Jahren. Hm?! Illona, Veronica, Sandrine, blah, blah, Gracia und wie sie alle hießen! Und jetzt tauchst du auf und erzählst mir was von Stil! Der Mann, der in den letzten Jahren bewiesen hat, dass man durchs Leben kommen kann, indem man ausschließlich mit den Eiern denkt?! Ich weiß, dass ich nicht ausseh’ wie’n Model, aber ich hab immer gedacht, zwischen uns wäre mehr. Ich will ja nicht abgedroschen klingen, aber vielleicht so was wie Gemeinsamkeiten. Was, glaubst du, hat mich dazu gebracht, 15 Jahre mit dir zu verbringen? Bestimmt nicht die Tatsache, dass du aussiehst wie ’n Model! Da kenn ich andere! Und ich hab sie, im Gegensatz zu dir, nicht angegraben. (Ich muss ihm ja nicht sagen, dass Nikolaj schwul ist.) Und warum hab ich das nicht getan? Weil ich so was wie Stil habe. Dafür hab ich nicht 90/60/90!«
    Der Knipser hatte während meiner Schimpftirade mit zitternden Fingern mehrere Rabattkupons zerbröselt. »Das weiß ich. Und … Mann, ich bin eben auch nur ’n Kerl. Und du hast ja Recht. Hey, es tut mir echt leid. Ich … Ich will doch nur …«
    Und schon lagen wir uns in den Armen. Der Tisch wackelte, der Kaffee schwappte aus den Tassen, die Kupons segelten vom Tisch, und die Tür ging auf, und Borowski stand mit hängenden Schultern im Türrahmen. »Entschuldigung.«
    Raoul, der hinter Borowski hereingekommen war, sagte: »Keine Problem. Gehen Sie …«
    Der Knipser setzte sich wieder auf seinen Stuhl, und ich versuchte, mein Gesicht zu sortieren.
    »’tschuldigung, ich geh mal lieber wieder«, sagte Borowski und wollte wieder auf den Flur. Aber Raoul quetschte sich an ihm vorbei und schnitt eine Grimasse, die wohl so viel bedeuten sollte, dass es um Leben und Tod ging. Er schob den alten Mann noch einen Meter in den Raum hinein und ging.
    Borowski stand mitten in der Küche. Von seinem abgewetzten, braunen

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