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Umwege zum Glück

Umwege zum Glück

Titel: Umwege zum Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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des Monats geplant hatte, kam ich auf zweihunderteinundsiebzig Mark. Davon hatte Manfred Ingwart zweihundertneunundfünfzig Mark und siebzig Pfennig zu bekommen. Blieben mir also zwölf Mark 30 Pfennig. Am folgenden Morgen telefonierte ich nach Hause. Mutti kam an den Apparat, und ich bat sie, mir baldigst hundert Mark zu schicken.
    „Du mußt mir glauben, daß es notwendig ist“, rief ich. „Ich schreibe dir heut und berichte alles. Wenn du die ganze Geschichte erfahren hast, wirst du einsehen, daß ich das Geld haben muß!“
    Dann erzählte ich ihr, daß es mir glänzend ging und daß kein Grund zu Sorge bestand, und sie versprach, das Geld sofort zu schicken.
    Danach ging ich zurück in meine Bude, ergriff den großen Brief block, setzte mich hin und schrieb an Mutti. Ich erzählte ihr die ganze Geschichte.
    Eines aber behielt ich für mich selbst: Meine Gefühle, als Manfred Ingwart mir in meine verweinten Augen sah.
    Nach meinem üblichen Kakao-Butterbrot-Sonntagsmittagessen machte ich mich hochklopfenden Herzens auf den Weg. Meine Haare waren sorgfältig gebürstet, meine Nase fein gepudert, und ich trug den hübschen Pulli, den ich zu Weihnachten bekommen hatte und der mir so gut stand.
    Bei kaltem, klarem Winterwetter fuhr ich aus der Stadt. Auf der freien Landstraße gab ich Gas, und eins-zwei-drei war ich vor dem lieben kleinen Haus Hasensteg 21.
    Eigentlich dauerte die Fahrt gar nicht so lange, wenn man mit dem eigenen Wagen fuhr und auf die unzähligen Bushaltestellen keine Rücksicht zu nehmen brauchte. Man brauchte gut eine Viertelstunde von der Stadtgrenze. Nicht weiter als mein Schulweg in Hirschbüttel. Damals wanderte ich zu Fuß achtzehn Minuten – das heißt, gewöhnlich lief ich wie eine Olympiadeanwärterin, mit offenem Mantel und dem letzten Frühstücksbrotbissen im Mund, und schaffte es in vierzehneinhalb Minuten.
    Nun ja, heut war Sonntag. Werktags würde viel mehr Verkehr sein – aber trotzdem, so weit war es nun auch nicht.
    Das sagte ich auch Frau Ingwart, die mich empfing. Ihr Sohn sei grade auf einen Sprung zum Nachbarn, er käme gleich wieder, ich solle meinen Mantel ablegen, gleich gäbe es Kaffee.
    „Nein, mit dem Wagen ist es eigentlich nicht weit“, pflichtete mir Frau Ingwart bei. „Und trotzdem – wir hatten mal einen Studenten hier, er mietete unsere Mansarde, aber es wurde ihm doch zu weit, obwohl er einen Roller hatte.“
    Da machte mein Herz einen Hochsprung.
    „Bedeutet das, daß Sie – daß Sie ein Zimmer zu vermieten haben? Daß es jetzt frei ist?“
    „Ja, an sich haben wir das, aber, wie gesagt, wer will so weit weg von der Stadt wohnen?“
    „Ich!“ rief ich. „Mit tausend Freuden! O bitte, bitte, Frau Ingwart, falls Sie wieder vermieten wollen – wissen Sie, mein Zimmer ist mir gekündigt worden…“
    „Nanu“, sagte Frau Ingwart erstaunt. „Haben Sie was ausgefressen?“
    Ich erzählte die ganze Geschichte von damals im Herbst und wie Frau Hansens Wut kürzlich wieder hochgespült wurde, weil Jessica, diesmal wirklich nichtsahnend, von den Fahrraddieben gesprochen hatte. Während ich erzählte, kam Manfred Ingwart. Beide lachten Tränen über Jessicas und meine Schandtat.
    „Da bin ich beruhigt“, sagte Frau Ingwart. „Ich habe viele und große Fehler, nicht wahr, Manfred? Aber das Lesen fremder Briefe gehört nicht dazu. Ach, da ist ja Kijana.“ Manfred stand auf und machte die Tür auf. Wir hatten vom Garten ein Miauen gehört.
    Herein kam eine bildschöne Katze mit einem Fell von einer eigenartigen, goldbraunen Farbe. Sie war schlank gebaut und hatte einen feinen kleinen Kopf. Bedächtig und anmutig schritt sie durchs Zimmer und sprang dann auf Frau Ingwarts Schoß.
    „Was für ein wunderbares Tier!“ sagte ich. „Aber die Rasse kenne ich nicht.“
    „Es ist ein Äthiopier“, berichtete Frau Ingwart. „Wir hatten ein sehr schönes äthiopisches Pärchen mit aus Afrika gebracht, dies ist der Sohn.“
    „Dem Namen nach müßte es ja ein Weibchen sein – es war doch etwas, was mit a endete?“
    „Kijana. Das bedeutet Jüngling. Es ist Suaheli.“
    Sie erzählte, daß sie jahrelang in Afrika gewohnt hatten, in einem abgelegenen Dorf in Tanzania oder Tanganyika, wie es damals hieß. Manfreds Vater war dauernd in seinem Landrover unterwegs gewesen und hatte gegen Krankheiten, Aberglauben und Schmutz gekämpft – und gegen das Tropenklima. Die beiden Kinder, die in Europa geboren waren, schafften es nicht. Sie bekamen eine

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