Und am Ende siegt die Liebe
holte sie ihre Juwelen aus dem Versteck und bestieg eine Kutsche nach Norden. Sie klapperte viele Ortschaften ab, ehe sie jemanden fand, der bereit war, einen angemessenen Preis für ihr Armband und ihre Ohrringe zu bezahlen. Und überall, wo sie ausstieg, besichtigte sie die Lokale am Ort. Dabei entdeckte sie, daß ein Gasthaus nicht nur eine Herberge war, sondern auch Mittelpunkt für gesellige und politische Veranstaltungen. Sie fertigte Skizzen an und stellte Fragen, und weil sie so jung und so begierig war, schenkte man ihr stundenlang Gehör und gab ihr bereitwillig Auskunft.
Als sie erschöpft, aber guter Dinge wieder nach Hause kam und ihre Tochter und Brandy in ihre Arme schloß, hing eine dicke Ledertasche an ihrer Schulter, die vollgestopft war mit Notizen, Zeichnungen und Rezepten für Brandy. Und im Saum ihres Kleides waren die Banknoten eingenäht, die sie für ihren Schmuck bekommen hatte. Von diesem Moment an gab es nie mehr einen Zweifel, wer in ihrer Partnerschaft den Ton angab.
15
Farrell Batsford stieg an einem kühlen Märzmorgen des Jahres 1802 in Scarlet Springs, einer betriebsamen kleinen Stadt in Pennsylvania, aus der Kutsche. Er klopfte sich den Staub von den Kleidern, zog seinen Rock aus kostbarem blauem Samt glatt und zupfte die Spitzenmanschetten aus dem Ärmel.
»Wollen Sie hier länger bleiben, Mister?« fragte der Kutscher auf dem Bock hinter dem schlanken, eleganten Fahrgast.
Farrell hielt es nicht für nötig, den Fahrer anzusehen; sondern beantwortete die Frage nur mit einem kurzen Nicken. Sekunden später schwang er herum, als der erste seiner zwei großen schweren Koffer vom Dach der Kutsche auf den Boden geworfen wurde. Mit einem breiten Lächeln sah ihn der Kutscher an wie ein Unschuldsengel.
»Soll ich Ihnen diese Koffer in den Gasthof tragen?« fragte ein stämmiger junger Mann.
Abermals beschränkte sich Farrell auf ein schroffes Nicken
in dem Bemühen, die Existenz des gesamten amerikanischen Volkes zu ignorieren. Als die Kutsche davonrollte, gab sie Farrell zum erstenmal den Blick auf das Silver-Dolphin-Hotel frei. Es war dreieinhalb Stockwerke hoch, mit einer Doppelveranda an der Vorderseite und hohen weißen Säulen, die bis zum steilen Dachfirst hinaufreichten.
Nachdem Farrell dem jungen Mann eine Viertel-Dollar-Münze zugeworfen hatte, beschloß er, einen Rundgang durch die Stadt zu machen.
Hier mußte irgendwo eine Geldquelle sprudeln, dachte er, als er die adretten, soliden Häuser betrachtete. Gegenüber vom Hotel entdeckte er eine Druckerei, eine Arztpraxis, eine Anwaltskanzlei und eine Apotheke. Unweit davon sah er eine Schmiede, eine große Gemischtwarenhandlung und eine Schule, und am Ende der Straße eine große, guterhaltene Kirche. Alles machte einen prosperierenden, wohlhabenden Eindruck.
Farrell faßte nun wieder das Hotel ins Auge. Man sah auf einen Blick, daß dieses gepflegte Haus der beherrschende Mittelpunkt des Ortes war. Zum Hotelkomplex gehörte auf der Rückseite ein Nebengebäude — ein restauriertes älteres Haus, das vermutlich die Keimzelle dieses Unternehmens gewesen war. Alle Fenster waren makellos sauber, die Fensterläden neu gestrichen, und während Farrell die Baulichkeiten betrachtete, gingen viele Leute ein und aus. Offensichtlich handelte es sich um ein florierendes Unternehmen.
Zum hundertsten Male holte Farrell nun einen zerlesenen Zeitungsartikel aus der Tasche. Dieser Artikel behauptete, daß einer Mrs. Regan Stanford und einer gewissen Mrs. Brandy Dutton, einer unverheirateten Frauensperson, gewissermaßen eine ganze Stadt in Pennsylvanien gehörte. Zuerst hatte Farrell gedacht, das könnte unmöglich jene Regan sein, nach der er nun schon so viele Jahre suchte; doch ein Mann, den er in diesen Ort vorausgeschickt hatte, kam mit einer Beschreibung zurück, die nur auf jene Regan passen konnte, die er einmal näher gekannt hatte.
Wieder dachte er an jene Nacht vor fast fünf Jahren zurück, als Jonathan Northland seine Nichte aus deren eigenem Haus geworfen hatte. Die arme, naive Regan hatte nie begriffen, daß Weston Manor ihr gehörte; und nicht sie hatte von dem Einkommen ihres Onkels gelebt, wie dieser in jener Nacht behauptet hatte, sondern vielmehr ihr Onkel Jonathan Northland war es, der von den Zinsen ihres Vermögens seinen Lebensunterhalt bestritten hatte.
Lächelnd fragte sich Farrell, ob Northland wohl jemals dahintergekommen war, wer die Testamentsvollstrecker, die Regans Vermögen verwalteten, von dem
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