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Und dann der Himmel

Und dann der Himmel

Titel: Und dann der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Stressenreuter
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Noah und seine Sippe. Aber seitdem - immer nur lächeln und lieben, lächeln und lieben. Das kann einem ganz schön auf den Zeiger gehen.“ Rafael stutzt und bemerkt, dass Finn ihn sprachlos ansieht. „Tut mir Leid“, reißt er sich zusammen, „ich komme vom Thema ab. Wir wollten ja über Marco reden.“
    Finn räuspert sich. „Bist du sicher, dass du ein Engel bist?“ fragt er.
    „Gut im Bett und selbstmitleidig?“ zische ich Rafael wütend zu.
    Gerade noch rechtzeitig habe ich mich davor bewahren können, fest einzuschlafen. Es kostet Mühe, mich innerlich wachzurütteln, denn eigentlich bin ich so müde, dass ich mit dem Kopf auf der Beifahrerkonsole schlafen könnte. Aber Rafael wird jede Gelegenheit nutzen, um zur Wahrheit vorzudringen. Am liebsten würde ich mir die Augen mit zwei Streichhölzern aufhalten und ein paar Aufputschmittel einwerfen. Fast bedauere ich, dass Lars nicht mitgekommen ist. Er hätte da sicherlich was auf Lager.
    „Findest du nicht, dass du gut im Bett bist?“ fragt Rafael.
    „Ich finde nicht, dass ich selbstmitleidig bin!“ entgegne ich bissig und stelle die Lüftung höher, damit die kalte Luft meine Müdigkeit wegpustet. Sofort kommen Proteste von der Hinterbank.
    „Kann ich dann wenigstens ein bisschen Musik auflegen?“ frage ich. „Ich muss mich irgendwie wachhalten!“ Vor unserer Abfahrt aus Köln habe ich in meinem Zimmer wahllos nach einem Stapel CDs gegriffen, um die Stunden im Auto etwas kurzweiliger zu gestalten.
    „Oh, bitte, darf ich …?“ Bevor ich etwas sagen kann, zerren Rafaels Finger eine CD von der Ablage zwischen unseren Sitzen und schieben sie in den CD-Player. Ich erkenne das Lied schon am getragenen Klavier-Intro. „ The Winner Takes It All“ von Abba . Unser Kampf geht anscheinend weiter. Rafael fährt schwere Geschütze auf.
    „Ist das Lied nicht wunderschön?“ seufzt der Engel und schaut angestrengt geradeaus. „Es hat so was Tragisches, das mir jedes Mal durch und durch geht.“
    „Genau“, kommt mir unerwartet meine Schwester mit einem ironischen Unterton zu Hilfe. „Das ist so schön, das kannst du sogar am Südpol auflegen, und jeder Pinguin fängt an zu schluchzen!“ Sabine konnte Abba noch nie ausstehen.
    Wortlos und mit einem vernichtenden Seitenblick auf Rafael klaube ich die CD aus dem Abspielgerät und werfe sie unter meinen Sitz. Dann eben keine Musik.
    Nach einigen ereignislosen Stunden Fahrt wird es um uns herum langsam hügeliger. Laubwälder säumen den Straßenrand, die Kargheit des Nordens wird abgelöst von einer üppigen Landschaft, in der man nicht nur Viehzucht betreiben kann, sondern vor allen Dingen Weinanbau. Jetzt, im Winter, kann man die Andersartigkeit der Landschaft allerdings nur erahnen. Je weiter wir in meine fränkische Heimat vorstoßen, desto häufiger sehe ich Hänge, auf denen Rebstöcke Spalier stehen wie Soldaten beim morgendlichen Appell. Mittelalterliche Burgreste tauchen auf den Hügelketten auf, barocke Schlösschen und Dörfer, die sich herausgeputzt und adrett in schneebedeckte Täler schmiegen. Alles wirkt aufgeräumt, ein wenig spießig, sauber und ordentlich, als wäre trotz des schmuddeligen Wetters eine Putzkolonne durch die Gegend gefegt, wild entschlossen, sich von der kalten Jahreszeit nicht von der Arbeit abhalten zu lassen. Als wir nach ein paar weiteren Kilometern auf den Main mit seinen weitläufigen Auenlandschaften treffen, weiß ich, dass ich mich meiner Heimat nähere.
    Der Ort, an dem ich aufgewachsen bin und in dem meine Eltern noch immer zu Hause sind, ist nicht groß. Gerade einmal knapp zweitausend Einwohner haben sich im Laufe der Jahrhunderte überwinden können, hier ihre Wurzeln zu schlagen. Ich gehöre zum Glück nicht mehr dazu. Sicher, das Dorf ist landschaftlich schön gelegen, eine der wenigen Gemeinden, die rechts und links des Flusses liegen – es gibt eine Brücke, die beide Stadtteile verbindet – aber für junge Leute, die nicht frühzeitig aus Langeweile vergreisen wollen, gibt es nur eine Möglichkeit: so schnell wie möglich wegziehen.
    Man lebt hier vor allen Dingen vom Weinanbau; die sanften Hänge rund um das Dorf haben eine gute Sonnenlage und die Böden sind kalkig, hervorragende Bedingungen für den trockenen Weißwein, für den diese Gegend berühmt ist. Doch wenn man lieber Caipirinhas mag, so wie ich, wenn man vom Leben etwas mehr erwartet, als mit fünfzig einen krummen Rücken von der alljährlichen Weinlese zu haben, dann sollte man die

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