Und dann kam Ute (German Edition)
beleidigt. So hab ich es auch nicht gemeint. Ich bin dir echt dankbar, dass du mir immer so hilfst, aber wenn du als Frau deinen eigenen Weg gehen willst, erzählt dir jeder doch nur, wie es nicht geht! Oder was du zu tun hast und was du alles falsch machst. Ich kann es echt nicht mehr hören.»
Mittlerweile standen wir vor unserem Haus. Ich schaltete den Motor aus, schaute ihr tief in die Augen und sagte dann: «Ute, ich weiß genau, was du meinst. Bei mir war es genauso. Jahrelang hab ich mich selbst verleugnet und wurde angefeindet. Jeder hatte was zu meckern. Alles war falsch. Meine Stiefel, meine Locken, meine Brille, mein Auto, meine Musik. Aber eines Morgens stand ich vor dem Spiegel und sagte: ‹Schluss damit. Ich sage JA zu mir. JA zu meinem phantastischen Aussehen. JA zu meinem messerscharfen Verstand. JA zu meinem großartigen Geschmack! Solche wie ich, die werden doch gar nicht mehr gebaut.› So!»
Endlich fing Madame wieder an zu strahlen. Sie grinste über das ganze Gesicht.
«Ach, mein edler Lockenritter. Was würde ich nur ohne deinen unverwüstlichen Humor machen? Und ganz ehrlich – ich kann mir keinen besseren Kumpel für meinen Sohn vorstellen als dich. Ich wünschte manchmal, ich hätte mehr von deiner Leichtigkeit und würde nicht alles hinterfragen. Vielleicht hast du ja auch recht. Vielleicht brauchen wir wirklich mehr richtig gute Kerle.»
«Sag ich doch, Ute. Meine Worte! Was sollen wir denn mit noch mehr Diplom-Betriebswirten? Was uns fehlt, ist ein richtig guter DJ. Einer, der die Eier hat, ’ne gute Acht-Minuten-Single auszuspielen. Und darum frag ich jetzt noch mal mit dem gebotenen Ernst: Butter bei die Fische – wie soll der Kleine heißen?»
Mittlerweile hatte sie ihre Wohnungstür aufgeschlossen, drehte sich im Türrahmen zu mir um und schenkte mir ein wohlwollendes Lächeln. Dann sagte sie: «Nur damit du endlich Ruhe gibst – Philipp Maria Peymann!»
Bums, die Tür war zu. Ich mag es, wenn Frauen durchziehen. Ute – tolle Frau.
Am nächsten Morgen klopfte ich um elf Uhr mit einer Tüte Brötchen in der Hand und einem Namenslexikon unterm Arm an Utes Tür.
«Gut, dass du kommst, ich hatte das Gefühl, dass es heute Nacht losgeht. Da waren ein paar ordentliche Wehen dabei. Ich wollte schon meine Mutter anrufen, aber das Telefon lag in der Küche, und ich hab allein eine halbe Stunde gebraucht, um aus dem Bett zu kommen!»
«Deine Mutter? Von der hast du nie erzählt. Wo wohnen deine Eltern überhaupt?»
«Geboren bin ich in Hannover, dann sind wir nach Bremen gezogen, weil mein Vater da eine Stelle als Rektor der Edmund-Stoiber-Gesamtschule Vegesack übernommen hat. Nach dem Tod von Papa ist Mama dann alleine im Haus wohnen geblieben. Sie hat ja auch ihre ganzen Freundinnen da. Sie kommt übermorgen und bleibt erst mal ein paar Wochen, bis alles rundläuft.»
Ich räumte den Küchentisch leer und legte das Namensbuch demonstrativ neben die taz .
«Wie heißt denn deine Mutter? Und wie alt ist sie?»
«Sie ist 68 und heißt Maria.»
«Ach so.» Resigniert zeigte ich auf mein Namenslexikon. «Dann kann ich mir das ja wohl klemmen. Lass mich raten: Dein Vater hieß Philipp!»
Sie musste schon wieder lachen: «Nee, der hieß Horst. Obwohl er wahrscheinlich lieber Angus geheißen hätte. Mein Papa war nämlich AC/DC-Fan der ersten Stunde.»
Mir wurde schlagartig klar, warum sie sich gestern über meine Namensvorschläge so amüsiert hatte.
«Ja, und warum jetzt Philipp? Irgendein Onkel, Uropa oder Schwippschwager?»
«Hä? Du bist gut. Den Namen hast du doch gestern aufs Tapet gebracht. Ich hatte die ganze Zeit hin und her überlegt, aber als du gestern von Philipp Lahm angefangen hast, hab ich gedacht – bingo, das ist er. Philipp Lahm, den finde ich super. Der macht immer so einen netten Eindruck.»
Während unserer Unterhaltung hatte Ute alle drei Brötchen mit viel Tofusalat und Konfitüre drauf verputzt. Sie schien das gut zu vertragen. Mir wurde allein von dem Anblick schlecht.
«Ute, pass auf, ich muss los. Ich spiele heute in Kassel und komme erst sehr spät wieder. Du musst also alleine klarkommen. Ich schaue dann morgen wieder rein. Wasch du dich schon mal an den Stellen, an die du noch selber drankommst, den Rest kann ja deine Mutter morgen Abend machen, wenn sie da ist. Ach, und nimm mir doch bitte ‹Exclusiv› auf. Die Christine Neubauer hat doch jetzt so einen schielenden chilenischen Panflöten-Tünnes. Das muss ich unbedingt sehen.»
Sie
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