und der blaue Diamant
bevor er da ist.«
Anne schmiegte sich an Clementine. »Keine Angst«, sagte sie schmeichelnd, »bei Ihrem guten Essen dauert es bestimmt nicht lange, bis Julius auftaucht. Ich kenne meinen Bruder doch: ein gutes Frühstück läßt er sich nicht entgehen.«
XIX
Die Gangster werden belauscht
Der erste, den Julius bei dem Viehtransporter entdeckte, war Jean, Mickis »Freund«. Er hatte den roten Lastwagen in einen unübersichtlichen Winkel zwischen zwei Scheunen gestellt und stieg gerade aus dem Führerhäuschen, als Julius um die Ecke lugte. Sofort zog Julius seinen Kopf zurück, denn diesem Jean wollte er nicht unbedingt in die Arme laufen. Er schlich an der Scheunenwand entlang, bis seine Hände eine Tür ertasteten. Vorsichtig drückte er die Klinke herunter. Erleichtert holte er Luft, als die Tür nachgab. Schnell schlich Julius hinein. Die Scheune war leer. In dem riesigen Raum gab es nichts außer vielen leeren Holzkisten, verrosteten Gartengeräten und einer alten Pferdekutsche, über die eine Plane gedeckt war. Wahrscheinlich wollte man sie vor dem Regen schützen, den das verfallene Dach nicht abhalten konnte. Julius blinzelte in die Sonnenstrahlen, die durch die Löcher hereinfielen. Die Staubkörnchen flimmerten in der Luft, und eine Fledermaus schreckte aus ihrem Versteck unter dem Dachbalken hoch und flatterte durch den Raum. Instinktiv nahm Julius die Hände vor das Gesicht. Als er wieder aufschaute, blickte er genau in die starren Augen der Fledermaus, die dicht unter dem Dach an einem Balken hing und ihn beobachtete. Eine Fliege summte an seinem Gesicht vorbei. Julius fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Er lächelte zaghaft zu der Fledermaus hoch. »Ich tu dir nichts«, murmelte er versöhnlich, »entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Keine Angst … ich verschwinde gleich wieder.«
Julius pirschte sich leise durch den großen Raum, bis er auf der gegenüberliegenden Seite wieder an eine Tür kam. Vorsichtig legte er das Ohr gegen die Tür. Er hörte Stimmen. Flüsternde, aufgeregte Stimmen.
Julius preßte seinen Kopf noch dichter gegen das Holz. Er versuchte verzweifelt, etwas von dem Gespräch zu hören, aber die Männer sprachen so undeutlich und alle durcheinander … außerdem war es Französisch, und außer ein paar Wörtern verstand Julius rein gar nichts. »Le taureau … cet après-midi … dans le camion … un petit détour … Goya … «
Immer wieder tauchte der Name Goya auf. Julius übersetzte fieberhaft die wenigen Brocken, die er verstand. »Der Stier. . diesen Nachmittag … in dem Lastwagen … ein kleiner Umweg … «, und immer wieder Goya. Plötzlich brachen die Männer in lautes Gelächter aus. Julius ärgerte sich, weil er nicht verstand, warum die Männer lachten. Er mußte unbedingt noch mehr erfahren … wenigstens mußte er wissen, wer da alles redete. Ganz vorsichtig, Millimeter für Millimeter, drückte Julius die Klinke herunter. Er war so aufgeregt, daß er die Luft anhielt, weil er Angst hatte, sein Atem würde ihn verraten. Als er die Tür einen winzigen Spalt geöffnet hatte, unterschied er die einzelnen Stimmen schon besser. Es war Jean, der da mit beiden Händen gestikulierte und ohne Pause auf die beiden anderen Männer einredete! Und der andere das war doch der mit den roten Haaren und den breiten Schultern … der immer so ein buntes Halstuch trug … genau! Das muß der Gangster sein, der Micki eingesperrt hatte und den sie gleich am ersten Tag in dem Baum beim Spionieren entdeckt hatten! »Hab ich mir's doch gedacht«, murmelte Julius erbittert. »Die knobeln jetzt bestimmt irgendein gemeines Verbrechen aus.« Er drückte sich gegen die Wand und beobachtete die Männer durch den schmalen Türspalt. Jean blickte auf die Uhr. Dann sah er die beiden Männer düster an. »Alors, dans une heure,« zischte er.
DerRothaarige nickte. Julius hielt die Luft an. In einer Stunde also! In einer Stunde würde irgend etwas passieren! Dann wandte sich Jean an den zweiten Mann, einen kleinen französischen Landarbeiter mit einem faltigen Gesicht. Der sah ziemlich unglücklich aus und schüttelte immerzu den Kopf. »Je ne peux pas … je ne peux pas … «, murmelte der Mann immer wieder. Er sah Jean flehend an und hob zitternd die Arme. »S'il-te-plaît … Jean, laisse-moi … laisse-moi tranquille … «
Julius sah genau, daß der arme alte Mann Tränen in den Augen hatte. Er sah ganz verzweifelt aus und wiederholte
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