und der Meister des Todes
habe!« Es war ein kleines Plakat, das ein Theaterstück ankündigte: »Il teatro della Marionette« zeigt »Tod eines Harlekins«, ein Drama in drei Akten. Unter der Schrift sah man ein gezeichnetes Bild der Marionetten auf einer Bühne.
»Es war auch das letzte Stück, das er aufführte«, erklärte Mrs Crane. »Danach zog er sich aus dem Theaterleben zurück.« Nach einer kurzen Pause gab sie ein zufriedenes »Aha!« von sich. Offenbar hatte sie gefunden, wonach sie gesucht hatte: mehrere verknickte Schwarz-Weiß-Fotos. Sie reichte ihm die Bilder. »Das war nach der Vorstellung. Der Mann links ist der Marionetten-Meister Dario Sciutto. Der Junge mit dem ernsten Gesicht und den schwarzen Locken ist sein ältester Sohn Federico und der kleinere Junge, der die Figur des Todes hält, ist sein Jüngster, Feliciano. Das war Mitte der Siebzigerjahre. Federico war damals vielleicht siebzehn oder achtzehn. Ich erinnere mich, dass er unbedingt in die Fußstapfen seines Vaters treten wollte. Soweit ich weiß, hat er später mit mäßigem Erfolg auf Wanderbühnen als Schauspieler und Clown gearbeitet. Der jüngere Feliciano war da ganz anders.«
Peter betrachtete die Gesichter. Federico war kräftiger geworden, aber sonst hatte er sich wenig verändert. Aber auch Feliciano kam Peter auf merkwürdige Weise vertraut vor, so als habe er ihn gerade erst gesehen – auch wenn er wusste, dass das nicht sein konnte. Vor einer halben Stunde erst hatte er in der Bibliothek gemeinsam mit Miss Bennett den sicheren Hinweis auf Felicianos Tod gefunden – die Traueranzeige der Familie. Der Mann war auf dem Friedhof von Rocky Beach begraben. Nervös sah sich Peter das nächste Foto an. Wieder hatte er das Gefühl, Feliciano zu kennen. Vielleicht aus einem Traum? Oder durch die Marionetten? Diesen Gedanken wollte er lieber nicht weiterverfolgen. Darum wendete er sich wieder an Mrs Crane. »Wovon handelt ›Tod eines Harlekins‹?«
Sie überlegte einen Moment. »Es ist die Geschichte von einem König, der ein großer Kriegsherr ist. Als er aus der Schlacht zurückkommt, ist er verändert und kann sich an nichts mehr erfreuen. Man erfährt, dass er seit seinem letzten Kampf die Gabe hat, durch die Fassade der Menschen zu blicken und die Wahrheit zu erkennen. Fortan zieht er sich immer mehr zurück. Auch seine Königin will er nicht mehr sehen, da sie zwar schön ist, aber ein kaltes Herz hat. Erst als ein geheimnisvoller Harlekin vor ihm auftritt, kann der König wieder lachen. In ihm sieht er etwas, das ihn fröhlich macht. Darum bittet er den Harlekin eindringlich, am nächsten Tag wiederzukommen. Doch die Königin ist nicht nur eifersüchtig, sondern fürchtet eine Verschwörung. Noch in derselben Nacht ersticht sie den Harlekin. Als er tot vor ihr liegt, erkennt sie, dass es ihr eigener Sohn ist. Er war aus einem fernen Land hergereist und in einem Kostüm aufgetreten, um dem Vater das Lachen zurückzubringen.« Mrs Crane machte eine bedeutungsvolle Pause. »Als der Tod kommt, um den Prinzen zu holen, sagt er der Königin, dass er sie für immer am Leben lassen wird, damit sie ihre Tat bis in die Ewigkeit bereuen kann.«
»Das klingt nicht gerade fröhlich«, fand Peter. »Und der Tod spielt wieder eine große Rolle.«
Daphne Crane nickte. »Dario Sciutto hat nie Komödien inszeniert. Seine Stücke waren alle sehr düster.«
Der Meister der Recherche
An diesem Tag ging die Sonne in einem unheimlichen Dunst aus Staub und Nebel unter. Die Fensterscheiben des Sciutto-Hauses brachen das Licht und warfen blutrote Strahlen auf die Terrasse und den Parkplatz.
»Schade, dass unsere Ausrüstung nicht gut genug ist. Sonst könnten wir bei dem Licht eine stimmungsvolle Außenszene drehen«, sagte Frank bedauernd. »Aber so müssen wir für heute Schluss machen.« Er sah erschöpft aus dem Fenster. »Wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich gerne kurz unter die Dusche gehen.«
»Kein Problem, wir haben ja heute Abend Küchendienst«, sagte Bob. »Wir rufen dich, wenn das Essen fertig ist.«
Als Frank im Bad verschwunden war, drehte sich Justus zu Latona. »Du wolltest uns heute Morgen etwas sagen!«
»Wollte ich das?«
Sie gingen in die Küche. Im Zwielicht suchte Bob vorsichtig nach dem Lichtschalter. Nicht dass er am Ende noch in ein Kabel fasste. Eine Elektropanne am Tag reichte.
»Ich gebe es zu!«, gestand Justus. »Wir arbeiten an einem Fall.«
»Und du würdest uns sehr helfen, wenn du uns sagst, was dir aufgefallen ist«,
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