und der sizilianische Dieb
blickte sie mitfühlend an. »Ja, und ich werde jetzt an der Glocke ziehen. Es ist eine sehr laute Glocke. Ich habe Sie geweckt, um Sie nicht zu erschrecken.« Farrell richtete sich auf und rieb sich die Augen. Mrs. Pollifax sah, daß er doch auf den Rücksitz gekrochen war und dort geschlafen hatte. Sie schaute noch weiter rückwärts und rechnete fast damit, einen Wagen zu sehen, Häuser oder Verkehr, doch da gab es nur eine schräg abwärts führende, ungepflasterte Straße mit Furchen; offenbar wohnte Kates Tante auf einer Anhöhe. In der Ferne brannten vereinzelte Lichter eines Dorfes, vielleicht auch eines Städtchens, und die weite leere Fläche dahinter mochte Wasser sein. Sie hoffte inständig, daß der Alptraum der Verfolgung vorüber war und sie sich in Sicherheit befanden. Doch nur die Zeit und wer immer hinter diesem Tor wohnte würden ihr die Zweifel nehmen können. Sie fragte sich, was Kates Tante wohl von ihrer Nichte denken würde, wenn sie ihr mitten in der Nacht zwei arg mitgenommene Gäste anschleppte.
»Wo sind wir?« erkundigte sie sich.
»In der Nähe von Cefalù«, erklärte Kate, die nun ausstieg, um zu klingeln, was sich tatsächlich als so erschreckend laut erwies, wie sie angekündigt hatte. Als das Echo verstummte, drehte sich Mrs. Pollifax zu Farrell um. Noch bevor sie so unhöflicherweise eingeschlafen war, hatte sie gründlich nachgedacht; das fiel ihr nun wieder ein, und sie sagte leise: »Farrell, es geht um mehr als eine Cäsar-Unterschrift. Es ist gar nicht anders denkbar. Ich meine, da waren diese Beerdigung und die Fotos, die Sie aufgenommen haben wollten, und diese schrecklichen Kerle, die hinter Ihnen her sind. Es muß mehr dahinterstecken!«
»O ja«, antwortete er schläfrig und gähnte. »Verdammt ja, es geht um mehr.«
»Das dachte ich mir.« Sie musterte ihn mitleidig. »Konnten Sie in dem Gemüsekeller überhaupt schlafen?«
»Nicht viel. Da waren Spinnen - und es war eiskalt. Etwas zu essen wäre jetzt himmlisch«, seufzte er. »Ich bin so gereizt. Ich fürchte, ich war ziemlich grob zu dieser schrecklich tüchtigen jungen Frau, die eine Waffe hat und sie auch benutzt.«
»Ja, und wenn sie nicht geschossen hätte, würde dieser Kerl Sie vielleicht verschleppt - oder gleich an Ort und Stelle erschossen haben.«
Er stöhnte auf. »O Gott, ich hasse es, einer so überlegenen und tüchtigen Kleinen, die kaum zwanzig sein dürfte, dankbar sein zu müssen!«
»Sie täuschen sich«, entgegnete ihm Mrs. Pollifax. »Sie ist sechsundzwanzig, CIA-Agentin, gut ausgebildet, äußerst einfallsreich, außerdem attraktiv und, was Sie wohl wirklich meinen, keineswegs von Ihnen beeindruckt.«
Da mußte er grinsen, so daß seine Zähne in dem diffusen Licht weiß blitzten. »Sie haben recht, wie immer, Herzogin.
Erstaunlich, wie das männliche Ego sich bestätigt sehen möchte, wenn es auf die Vierzig zugeht.«
Das Tor war ein Stück geöffnet worden, und Kate redete auf einen dunkelhäutigen Mann mittleren Alters ein. Dann lachten beide, und als sie zum Wagen zurückkehrte, schwang er beide Flügel weit auf und winkte sie herein. Kate fuhr hindurch und hielt an. »Das ist Peppino«, stellte sie ihn vor. »Wir nehmen ihn
mit.« Sie warteten, bis er das Tor geschlossen und verriegelt hatte, hinten in den Wagen einstieg und Farrell zulächelte, der ihm mißtrauisch Platz machte.
Mrs. Pollifax schaute nach vorn auf ein langgestrecktes Gebäude, dem Aussehen nach ein riesiges Bauernhaus. Als der Wagen die Einfahrt entlangrollte, streiften die Scheinwerfer links davon einen Olivenhain. Sie fuhren an ihm und dem Haus entlang, bogen in eine Zufahrt dahinter ein und kamen an einem prächtigen Garten voller Blumen vorbei, die Mrs.
Pollifax sofort begeisterten. Wer auch immer hier wohnt, sagte sie sich, hat ein warmes Herz. Der Wagen hielt schließlich an, eine Tür an der Hausrückseite wurde geöffnet und bildete ein Rechteck goldenen Lichts in der Dunkelheit.
Kate griff nach ihrem Rucksack und sagte: »Willkommen in der Villa Franca.«
Beim Aussteigen sah Mrs. Pollifax, daß eine ungewöhnlich auffallende Frau zur Tür gekommen war, und sie dachte: Ihr Haar kann doch einfach nicht orange sein, es muß am Licht liegen, anders ist es nicht möglich! Aber als sie näher kam, blieb das Haar orange und wurde zusehends leuchtender. Die Frau war weder groß noch klein, bestimmt nicht jung, und es war unmöglich, ihre Figur abzuschätzen, weil diese unter mehreren Schultertüchern über
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