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und der verschwiegene Verdacht

und der verschwiegene Verdacht

Titel: und der verschwiegene Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Tisch. »Ich glaube, ich gehe ein bisschen nach draußen. Ich brauche frische Luft.«
    Zu ihrer Überraschung stand Derek ebenfalls auf.
    »Ich komme mit«, sagte er. Und dann, als sie langsam über den großen Rasen schlenderten, überraschte er sie abermals, als er ihr mitteilte, dass dies sein erster Besuch in Penford Hall sei.
    »Ich dachte, Sie und Grayson seien alte Freunde«, sagte Emma.
    »Wir haben uns vor zehn Jahren in Oxford kennen gelernt«, sagte Derek. »Ich restaurierte ein Stück Putz an der Kathedrale, und er übte eine Bach-Kantate auf der Orgel.« Derek stand still und drehte sich nach dem Haus um. »Seitdem war unser Kontakt ziemlich eingeschlafen.« Mit der Hand schirmte er die Augen vor der Sonne ab, dann legte er den Kopf zurück und ließ den Blick langsam über das zerstückelte Dach gleiten. »Was für ein Wirrwarr«, bemerkte er, »aber baulich in sehr gutem Zustand.« Er sah Emma an. »Oder würden Sie Penford Hall eine Ruine nennen?«

    Emma zeigte auf die zerklüftete Mauer der Burg und sagte: » Das ist eine Ruine.«
    »Jedenfalls sprach er von einer Ruine, als er mich bat, hierher zu kommen. Aber das ist ja auch verständlich, wenn man bedenkt, womit ich mich beschäftige.«
    »Und das wäre …?«, fragte Emma.
    »Hmmm?« Derek sah sie verständnislos an, dann nickte er. »Ach so, ja. Ich bin, Moment mal …« Er klopfte auf die Brusttasche seines Hemdes, dann fing er an, in den Taschen seiner Jeans zu suchen.
    Er förderte ein Taschenmesser ans Tageslicht, ferner eine Schlüsselkette, ein paar Münzen, ein Maß-
    band, verschiedene Gummiringe und Bindfäden und schließlich etwas, das aussah wie der Rest einer Rolle Isolierband. Schließlich hatte er es gefunden: eine etwas zerknitterte, fusslige Visitenkarte, die er Emma gab. »Ich brauche nicht oft Visitenkarten«, sagte er etwas verlegen. »Ich arbeite von zu Hause aus und – na ja, es spricht sich herum.«
    »Harris Restaurierungen« , las Emma laut, indem sie die Karte zu glätten versuchte. Sie registrierte, dass es eine Adresse in Oxford war, dann steckte sie die Karte in ihre Rocktasche. »Sie machen also Restaurierungen?«
    »Richtig. Kaputtes Fachwerk, beschädigte Fresken …«
    »Glasfenster?«, unterbrach Emma.

    Derek sah sie überrascht an, dann senkte er die Augen und ging weiter. »Es ist ja nur natürlich, dass Grayson mir von seinen Renovierungsplänen am Haus erzählte. Das Dach leckte wie ein Sieb, sagte er, und die Fußböden hätten sich von der Feuchtigkeit gehoben. Also gewann ich den un-missverständlichen Eindruck, dass das Haus in ziemlich schlechtem Zustand sei.«
    »Das sagte Susannah gestern Abend doch auch!«, rief Emma aus. »Erinnern Sie sich – beim Dinner?«
    »Ja. Sie sagte auch, er sei ein guter Segler.« Derek rieb sich das Kinn, dann sah er Emma an. »Haben Sie morgen schon etwas vor?«
    »Ich – ich weiß nicht«, stammelte Emma. »Es hängt davon ab, ob …«
    »Gut.« Derek zeigte auf die Terrasse mit der um-laufenden Balustrade. »Können wir uns dort treffen, so etwa um elf? Ich möchte Ihnen etwas zeigen.
    Ich muss wissen …« Er sprach nicht weiter, aber das besorgte Stirnrunzeln war wieder da. »Nein, warten wir bis morgen.« Und ohne etwas hinzuzufügen, wandte er sich um und ging eilig zurück ins Haus.

    Emma drehte sich um und ließ den Blick über Penford Hall schweifen. So weit sie es beurteilen konnte, waren die achteckigen Schieferplatten auf dem Dach vollzählig und ohne Makel, in Gruppen standen die schön gemusterten Schornsteine solide und aufrecht da, und die Fenster, die in vielen verschiedenen Formen mit Blei verglast waren und in denen auch nicht eine Scheibe fehlte, blitzten im Morgenlicht. Es kam schon vor, dass manche Menschen abfällig von ihrem Heim sprachen, besonders, wenn sie ein Haus bewohnten, das ihnen nicht gefiel oder das ihren Bedürfnissen nicht gerecht wurde. Vielleicht hatte Susannah das Haus ihres Vetters nur aus reiner Bosheit lächerlich gemacht. Doch Grayson schien dieses seltsame, unübersichtliche Wirrwarr zu lieben. Wenn er Penford Hall eine Ruine genannt hatte, dann konnte er es kaum wörtlich gemeint haben.
    »Hallo, Sie da! Miss Porter!«
    Emma sah auf und erblickte Nanny Cole, die ein paar Meter weiter links an einem Fenster stand. In einem ihrer kräftigen Arme hielt Nanny Cole ein Paket aus braunem Papier, mit dem anderen winkte sie Emma heran. Gehorsam kam Emma näher und stellte sich unter das Fenster.
    »Wo zum Teufel sind alle

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